Die Zuckerbäckerin
wüÃte, ha! Das warâs, worauf Sonia gewartet hatte. Dieses Wissen war Gold wert! Was sie damit anfangen würde, das muÃteselbstverständlich gründlich überlegt werden. Nur eines wuÃte sie schon jetzt ganz genau: Bald würde sie selbst Gold und Juwelen tragen, denen von Melia gleich!
Durch zwei schmale Schlitze beobachtete sie, wie ihrem völlig übermüdeten Gegenüber die Augen zufielen. Melias Lider waren beinahe durchsichtig vor Erschöpfung, und ein leises Stöhnen entfloh ihrer Brust. Vorsichtig schob Sonia ihren Fuà nach vorne und stellte ihn auf die Karte. Mit der Spitze ihres dünnen Schuhs gelang es ihr, sie auf ihre linke Seite zu schieben. Trotzdem wagte sie nicht, nach dem Kärtchen zu greifen, aus Angst, Melia würde darauf aufmerksam werden. Während die Schauspielerin immer wieder kurz die Augen öffnete, um mit leerem Blick nach vorne zu starren, legte die Kutsche Stück für Stück des Weges zum Theater zurück. Sonia saà wie auf heiÃen Kohlen. Doch dann wurde Melia just in dem Augenblick ohnmächtig, als sie die Einfahrt des Theaters erreichten. Blitzschnell griff Sonia nach unten und steckte die verräterische Karte ein.
Während sie die beiden Platzanwärter des Theaters hastig bat, Melia in deren Gemächer zu tragen, summte sie leise vor sich hin. Als erstes würde sie Gustav wissen lassen, daà er von ihr aus dorthin gehen könne, wo der Pfeffer wächst! Und danach würde sie sich in aller Ruhe überlegen, was sie mit ihrer Erkenntnis anfangen sollte.
31
A m 28. September 1818 schien es, als hätte jemand beim Wettergott persönlich vorgesprochen. Im ganzen Neckartal herrschte strahlender Sonnenschein. Kein morgendlicher Frühnebel trübte Katharinas Blick aus dem Fenster. Seit Wochen drängte Wilhelm zum Aufbruch in ihr städtisches Domizil â Bellevue war für die kühleren Jahreszeiten einfach nicht geeignet â, aber Katharina konnte sich noch nicht dazu entschlieÃen, so wohl fühlte sie sich in ihrer Sommerwohnung. »Nächste Woche!« lautete jedes Mal ihre Antwort, und bisher hatte das Wetter sie nicht im Stich gelassen. War es im vergangenen Jahr an Wilhelms Geburtstag schon empfindlich kühl und regnerisch gewesen, so hatte man diesmal einen zauberhaften Spätsommertag genossen, und auch der heutige Morgen verkündete nur Sonne. Dem Himmel sei Dank! Nicht auszudenken, wenn ihre Kutschen auf dem Weg zum Cannstatter Festplatz im verregneten Morast steckenbleiben würden!
Ihr Blick fiel auf das gegenüberliegende Stammschloà der Württemberger, die Wirtemberg, die hoch droben auf dem Rotenberg thronte, als wolle sie von dort aus über das Wohlergehen des Landes wachen. Das alte Gemäuer, Namensgeber für das ganze Land, strahlte auf Katharina eine Ruhe aus wie kein anderer Ort. In ihrer wenigen freien Zeit hatte sie sich schon mehrmals hoch zur Burg fahren lassen, war im ehemaligen SchloÃhof gewandelt und hatte das Schild überder Stalltür bewundert, welches besagte, daà Conradus de Wirtenberg im Jahre 1090 hier erschienen war. Meist war sie dann noch zu Fuà zu der eine halbe Stunde entfernt liegenden Catharinenlinde spaziert, unter der nach einer Legende die heilige Catharina ruhte. Wie schön wäre es, nach ihrem Tod auch dort oben ruhen zu dürfen, hatte sie Wilhelm gegenüber einmal angemerkt, woraufhin dieser ihr hilflos eine Antwort schuldig blieb. Gespräche über den Tod mochte er nicht. Er betrachtete sie genauso argwöhnisch wie Katharinas von Zeit zu Zeit wiederkehrende Alpträume.
»Guten Morgen, Cherie.« Wilhelms Atem huschte kühl über ihren durch eine elegante Hochsteckfrisur entblöÃten Nacken.
»Wilhelm! Wie hast du mich erschreckt!« Sie fuhr herum. Ihre Augen waren auf gleicher Höhe, als sie vorsichtig seine Wangen küÃte. Früher hatte sie Wilhelms niedrige Statur ein wenig gestört, heute fiel ihr seine geringe KörpergröÃe nur noch selten auf.
»Bist du gekommen, um dein Geburtstagsgeschenk abzuholen? Dann muà ich dich enttäuschen, Geliebter! Dein Gang war nämlich umsonst.« Kleine Lichter blinzelten in ihren Augen, ihr Mund zuckte, doch Wilhelm schien der scherzhafte Ton in ihrer Stimme zu entgehen.
»Ist nicht das heutige Fest mein Geschenk? Für mich und das Land?«
Warum nur hatte ihr Gatte so wenig Humor, fragte
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