Die Zuckerbäckerin
erreichte die Bäckerin mit Rote-Bete-Saft. Und nun stellen Sie sich einmal vor:
Ein schlichter Rührkuchen, überzogen mit einem farbigen ZuckerguÃ, obenauf noch ein paar Silberperlen oder kandierte Früchte, gezuckerte Veilchen- oder Rosenblätter â mit wenigen Handgriffen zaubern Sie so königliches Backwerk!
Trotz all dem rosa Zuckerguà gab es auch »bei Königs« Zeiten, in denen vor allem eines angesagt war: Sparen! Wobei die Herrschaften natürlich fast immer nur bei den andern und selten bei sich selbst gespart haben ⦠Für die Angestellten bedeuteten solche SparmaÃnahmen meist mehr Arbeit, weniger Lohn und dabei auch noch eine schlechtere Verpflegung. Von solcher Misere blieb auch der Stuttgarter Hof nicht verschont.
â¦Â Seit die Königin zwei der Köche, einen Wasserträger und mehrere Holzträger entlassen hatte, um die Kosten ihrer Hofhaltung nochmals zu senken, war die Last der Arbeit für die einzelnen Leute fast unerträglich schwer geworden. Vor Mitternacht kam kaum jemand mehr aus der Küche fort, dazu gab es einfach zuviel zu tun.
Eleonore machte die Mehrarbeit nichts aus. Immer noch gab es täglich so viel Neues für sie zu entdecken. Mühsal? Nein, als mühselig empfand Eleonore ihre Arbeit bisher noch nicht â¦
Um über körperliche Mühsal in der Küche zu reden, brauchen wir nicht zum Anfang des 19. Jahrhundertszurückkehren â es reicht schon, sich einmal mit der eigenen GroÃmutter über einstige Arbeitszeiten und -bedingungen zu unterhalten. Es ist unglaublich, wie hart und beschwerlich vor allem Haus- und Küchenarbeit früher war. Die »gute alte Zeit«? Hat es zumindest in dieser Hinsicht nicht gegeben, diese Vorstellung entspringt wohl eher unserem Drang nach nostalgischer Verklärung. Aber eines können wir feststellen, ohne dabei die Vergangenheit durch die rosarote Brille zu sehen:
In früheren Zeiten empfanden die wenigsten Arbeit als eine Qual, jeder identifizierte sich mehr oder minder stark mit seiner Aufgabe, sie war einfach ein groÃer Bestandteil des täglichen Lebens. Und dieses wurde nicht in Frage gestellt â Schlagworte wie Selbstverwirklichung, worklife-balance oder kreatives Nichtstun gab es nicht. Ein freier Sonntag pro Monat war in puncto Rekreation das höchste der Gefühle, und selbst an diesem Tag konnten die Mägde und Knechte nicht nur Spazierengehen und schlafen, sondern muÃten auch noch ihre zerschlissene Kleidung flicken, Erledigungen machen oder Briefe nach Hause schreiben! Ob die Menschen damals zufriedener waren?
Daà Eleonore und die andern Angestellten der königlichen Hofküche die zusätzlichen Belastungen so klaglos hinnahmen, hatte in diesem besonderen Fall aber sicher auch damit zu tun, daà die Menschen Königin Katharina liebten und gern für sie arbeiteten.
Um den Berg an Arbeit überhaupt bewältigen zu können, muÃten die Frauen in der Küche schon zur damaligen Zeit groÃes Organisationstalent, Phantasie und Flinkheit an den Tag legen. Dies beweist auch die nächste kleine Küchenszene:
â¦Â Kaum hatte Lili die Zuckerbäckerei betreten, zog sie sich mit der einen Hand die Schürze zurecht, während sie mit der anderen mehrerer Töpfe und Tiegel parat stellte.
»Wenn die Königin ihre Einweihungsfeier für die neue Mädchenschule in den Sommer gelegt hätte, hätte ich es auch einfacher gehabt«, knurrte sie. »Dann hätte ich einfach ein paar Körbe mit frischen Erdbeeren genommen, die Früchte in Schokolade getaucht und wärâ fertig gewesen!«
Eleonore lachte. »Ach was, dir macht es doch Freude, all diese süÃen Träume herzustellen!« Sie beäugte zum hundertsten Male die hochaufgetürmten Teller voller Köstlichkeiten, die Katharina ihren Gästen in speziellen Dosen â Bonbonnieren â überreichen wollte. Für diese Gastgeschenke hatte die Zuckerbäckerin Hunderte von NuÃbögen, Königs-Talern und Katharinen-Kränzchen gebacken. Dazu Berge von Früchten kandiert und Nüsse in Schokolade getunkt. Auf einem weiteren Tablett türmten sich Katzenzungen, ein längliches, sehr luftiges Gebäck, dessen Rezept Lili selbst erfunden hatte. Nun war sie mit der Herstellung ihrer berühmten Marzipankartoffeln beschäftigt, die den Abschluà der SüÃigkeitenparade
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