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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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einer, schreibt er. In Rußland gäbe es keine Hungersnot, dort will er mit seiner Familie hin.«
    Â»Aber warum gerade nach Rußland?« fragte Eleonore verzweifelt, als hätte es einen Unterschied gemacht, wenn Leonards Bruder statt dessen nach Italien gegangen wäre.
    Â»Weil der russische Zar, der Bruder unserer Königin, die württembergischen Bauern willkommen heißt! Land will er ihnen schenken und Saatgut dazu! Und Steuern müssen sieauch nicht bezahlen, heißt es. Zar Alexander – das ist ein wahrer Menschenfreund! Allein aus Kreuchingen haben schon sieben Familien einen Antrag auf Ausreise gestellt.« Er ließ sie keinen Augenblick aus den Augen, als wolle er verhindern, daß sie ihm wie ein Falter auf durchsichtigen Schwingen davonflog. »Letztes Jahr sind auch schon welche losgezogen, und es soll ihnen nicht schlecht ergangen sein. Verstehst du denn nicht: Die Menschen haben keine andere Wahl! Wenn sie nicht gehen, verhungern sie. Und ich habe auch keine andere Wahl. Michael braucht mich.«
    Â»Und Sonia?« Leonard konnte sich ja gar nicht vorstellen, wie sehr Sonia ihre Schwester brauchte!
    Â»Kannst du Sonia nicht einmal für einen Augenblick vergessen? Und dir dafür ein Leben an meiner Seite vorstellen?« Seine Stimme klang so flehentlich, daß sie das Zuhören schmerzte. »Ich weiß nicht, was uns in Rußland erwartet, aber eines kann ich dir versprechen: Ich werde mich um dich kümmern und dich versorgen, so wahr mir Gott beistehe. Heiraten müßten wir natürlich auch, Eheleute bekommen vom Zaren fünf Desjatinen Land mehr. Eigenes Land, verstehst du? Und niemand will wissen, ob ich der jüngere Sohn bin oder nicht, in Rußland gibt es für uns keine Erbfolge. Dort bekomme ich endlich die Möglichkeit, etwas aus meinem Leben zu machen! Und dem Michael wär’s auch wohler, wenn er mich an seiner Seite wüßt’«, fügte er etwas lahm hinzu, als wolle er erneut seinen Bruder als treibende Kraft hervorheben, der er aus Treue folgen mußte.
    Â»Etwas aus dem Leben machen – das kannst du auch hier!« antwortete Eleonore heftig. Seine glühende Begeisterung versetzte ihr einen Stich. »Etwas anderes tu’ ich doch auch nicht, oder? Was ich gelernt habe, seit ich auf dem Schloß bin, ist mehr als in meinem ganzen Leben zuvor!« Leonards Reden hörten sich gerade so an, als siechten sie in stumpfer Mühsal auf dem Stuttgarter Schloß dahin. Dabeibedeutete das Leben hier für sie das Himmelreich auf Erden. Trotzdem konnte sie seine Sehnsucht verstehen, denn tief in ihrem Inneren verspürte auch sie etwas Ähnliches. Wenn er Württemberg verließ, dann sicher nicht nur seinem Bruder zuliebe …
    Â»Ein eigener Hof! Das wäre doch etwas ganz anderes! Dann würdest du in deinen eigenen Töpfen kochen und die Teller unserer Kinder füllen. Wir würden unser eigenes Gemüse anbauen, und der fruchtbare Boden würde uns mit reichen Ernten beschenken.« Er packte sie an den Schultern. »Lore, hörst du mich? Wir beide unsere eigenen Herren! Einen Ausreiseantrag in deinem Namen habe ich auch schon gestellt, und er ist genehmigt. Sieh, hier!« Er hielt ihr ein dicht bedrucktes Blatt Papier vors Gesicht. »Es ist alles vorbereitet.«
    Sie drehte sich weg und schlug die Augen nieder, bevor Leonard die Wahrheit in ihnen lesen konnte. Würde sie ihm gegenüber auch nur andeuten, wie verlockend seine Worte klangen – wäre sie verloren. Ein Mann, der sich um sie kümmerte, eine Familie, eigener Grund und Boden, den einem niemand mehr wegnehmen konnte – hätte jemand Eleonore nach ihren sehnlichsten Wünschen gefragt, so hätte sie aufgezählt, was Leonard ihr gerade versprach. Nur an Rußland hatte sie dabei natürlich nicht gedacht, wie auch?
    Â»Und schau, hier steht es geschrieben …« Er deutete auf ein anderes Formular: »Gereist wird immer in einer großen Gruppe, eine Kolonne nennen sie das. Michaels Familie und wir sind in der Reutlinger Kolonne gemeldet. Am 3. Juni verläßt die ›Lenzau‹ den Hafen von Ulm. Für uns beide sind zwei Plätze reserviert!«
    Erschrocken blickte sie auf. »Am 3. Juni! Aber das ist doch schon in drei Wochen!«
    Das Zwitschern der Vögel in den dichtbewachsenen Kronen der Apfelbäume klang so harmlos, die Geräusche, dievon den an- und

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