Die Zuckerbäckerin
abfahrenden Fuhrwerken durch das hintere Tor zu ihnen herüberdrangen, so alltäglich, daà seine nächste Frage wie aus einer anderen Welt zu kommen schien. »Eleonore â ich fragâ dich hier und jetzt: Willst du mich heiraten und mit mir nach RuÃland gehen?«
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Z ur Feier des Tages hatte Katharina ein dunkelviolettes, mit gelben Blüten besticktes Kleid herausgesucht. Die passende Schute war ebenfalls mit gelben Blüten bestickt, und gelbe Seidenbänder waren unter ihrem Kinn zu einer dicken Schleife verknotet. Ihr Haar hing über den Rücken hinab, in einem prachtvollen Netz, in das unzählige kleine Blüten geflochten waren. Ganze drei Stunden hatte Niçoise gebraucht, um das Kunstwerk fertigzustellen. Drei Stunden war Katharina ungeduldig auf ihrem Schemel hin und her gerutscht. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch mit einer schlichten Zopffrisur zu den Eröffnungsfeierlichkeiten der ersten Beschäftigungsanstalt gehen können, aber sie wuÃte, was die Menschen von ihr erwarteten. Und als Dank für deren groÃzügige Spenden war Katharina bereit, jeden nur erdenklichen Aufwand in Kauf zu nehmen, um als würdige Königin vor sie zu treten und so der Angelegenheit etwas mehr Pomp zu verleihen. Es war von gröÃter Wichtigkeit, bei den heute geladenen Gästen einen guten Eindruck zu hinterlassen, denn schlieÃlich rechnete Katharina auch weiterhin mit ihrer Spendenfreudigkeit. Daà sie selbst den Löwenanteil der Kosten aus ihrem Brautschatz bezahlte, machte ihr reichlich wenig aus. Was hättâ sie schon jemals mit dem goldenen Teeservice anfangen können? Und Schmuck hatte sie auch genug, wozu brauchte sie da noch Schatullen voller ungeschliffenen Rubinen und Saphiren?In ihrem Inneren formulierte sie eine trotzige Rechtfertigung nach der anderen, als sie an Wilhelms mahnende Blicke angesichts ihres schwindenden Vermögens dachte. Auch Maria Feodorowna hatte in ihrem letzten Brief darauf gedrängt, Katharina möge mehr auf edle Spenden zurückgreifen und weniger auf ihr Petersburger Vermächtnis. Doch trotz aller mahnenden Worte war Katharina der Stolz nicht verborgen geblieben, mit dem ihre Mutter sie zwischen den Zeilen bedachte. Ein Blick auf ihre kleine Porzellanuhr beruhigte sie: Bis zur Abfahrt in die Stadt war es noch eine gute Stunde Zeit. Sie hatte also die Gelegenheit, noch einmal Maria Feodorownas Brief durchzulesen, obwohl sie die Sätze beinahe auswendig kannte. Doch allein der Anblick der gleichmäÃig geschwungenen Schrift bereitete ihr Freude, und im Geiste hörte sie die warme Stimme ihrer Mutter.
Mit dem Brief in der Hand lieà sie sich auf der Chaiselongue in der südlichen Fensternische nieder.
Geliebte Tochter!
Während ich diese Zeilen an Dich verfasse, sitze ich im Garten unserer geliebten Sommerresidenz. Erinnerst Du Dich noch an den kleinen Teich, den sich die schwarzen Schwäne zur Heimat auserkoren haben, obwohl die Wasserbassins im vorderen Teil des Parks doch wesentlich gröÃer sind? Nun, wie in jedem Frühjahr haben sich die beiden Eltern entschlossen, ihren Nachwuchs hier ins Leben zu entlassen. Gestern habe ich sie zum ersten Mal beobachten können. Die Federn der Kleinen sind so plustrig und fein, daà es einem vor Entzücken ganz warm ums Herz wird. Ich konnte nicht anders, als auch heute Familie Schwan einen Besuch abzustatten, und so sitze ich nun mit Papier und Feder auf der marmornen Sitzbank unter dem Rosenbogen, die auch einer Deiner Lieblingsplätze war. An diesem Ort fühle ich mich Dir, meiner geliebten Tochter, ganz besonders nahe.
Endlich haben wir den langen Winter hinter und in Zarskoje Selo erscheint mir das Leben gleich um ein vielfaches leichter zu sein als in Petersburg. Ach, was haben wir hier für unbeschwerte Zeiten verbracht, erinnerst Du Dich noch? Doch bevor ich in Versuchung gerate, weiter auszuschweifen, möchte ich Dir auf Deinen letzten Brief antworten:
Geliebte Katharina, was Du mir zu berichten weiÃt, macht mich sehr stolz, weil es zeigt, daà ich Dich zu einer wahren Königin erzogen habe. Auch ich habe meine Arbeit als Landesmutter immer sehr ernst genommen. Noch heute zieht mich Alexander des öfteren zu Rate, wenn es um die Belange der Armen geht. Eine Landesmutter muà sich den Respekt und die Liebe ihres Volkes erst erarbeiten, und ich bin der festen Ãberzeugung, daà Dir dies in
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