Die Zuckerbäckerin
guten Kauf zu machen.«
Irgend etwas an Barbaras Ton reizte Leonard, sie am Hals zu packen und zu schütteln. Und Eleonore? wollte er wütend herausbrüllen. Wo hat Eleonore ihren Platz bei all deinen tollen Plänen?
Als könne sie Gedanken lesen, schoà Barbara ihr letztes Geschütz ab. »AuÃerdem: Wir sind nicht mehr in Württemberg, wo sie mit Ehesündern umgehen wie mit Mördern und Lumpen. Was gehen uns die Leutâ in RuÃland an? Wenn du deine Eleonore auf Teufel komm raus nicht vergessen kannst, trennen wir uns halt nach ein, zwei Jahren wieder! Und du bekommst einen bestimmten Betrag ausgezahlt, mit dem ihr euch eine neue Zukunft aufbauen könnt. Ich werde eine Zeitlang die verlassene, zutiefst getroffene Ehefrau spielen, bis alle Welt vor lauter Mitleid fast zerflieÃt. Und dann ⦠sehen wir weiter. RausschmeiÃen können sie mich aus ihrem RuÃland dann jedoch nicht mehr«, fügte sie befriedigt hinzu.
20
W ährend Leonard zusammen mit seiner Frau Barbara und seinem Stiefsohn in Carlsthal, einem vier Stunden von Odessa entfernt gelegenen Dorf, die letzten Holzbalken seines neuen Hauses zusammennagelte, war Eleonore mit den Vorbereitungen für die königliche Weihnachtstafel für das Jahr 1817 beschäftigt.
Seit der Ankündigung von Maria Feodorownas Besuch zum heiligen Fest glich die Küche einem Tollhaus. Täglich wurden Berge von Lebensmitteln an der hinteren Küchentür abgeliefert, bis sich auf jeder nur erdenklichen Fläche Gänsekeulen, frisch geschlachtete Hasen, Körbe voller Eier, dunkel gerauchte Schinken und vieles mehr stapelten. Max, der Küchenjunge, kam mit dem Verstauen der Ware nicht mehr nach. In den Kühlbecken und Vorratsschränken wurde der Platz eng. In der Zuckerbäckerei konnte sich Eleonore zwischen Säcken voll weiÃem und dunklem Mehl, Töpfen mit Honig, Nüssen, getrockneten Früchten und aromatisch duftenden Gewürzen kaum mehr bewegen. Dennoch gehörte sie zu den wenigen, denen es gelang, in dem ganzen Drunter und Drüber einen kühlen Kopf zu bewahren. So hatte Ludovika vor lauter Aufregung ein für den Koch Matthias bestimmtes, in Pergamentpapier eingeschlagenes Paket Fleisch für ihr eigenes gehalten und ohne nachzuschauen in einen Topf geworfen. Bis Matthias das Unglück bemerkte, war es zu spät. Drei der allerfeinsten Schinken waren so inder Suppe gelandet, während er ratlos vor einem Topf voller Schweineknochen stand, die für seine Vorspeisenplatte unbrauchbar waren. Dazwischen flatterte Frau Glöckner, die Hoftafelaufseherin, wie ein aufgeschrecktes Huhn hin und her. Nur Johann war die Ruhe selbst. Er wuÃte: Mochte die Aufregung auch noch so groà sein, er konnte sich dennoch auf seinen Küchentrupp verlassen. Pünktlich zur Ankunft der Königinmutter würde alles vorbereitet sein. »Wir sind die groÃe Kocherei einfach nicht mehr gewohnt!« hatte er gegenüber Eleonore bemerkt. »Daà Katharina zum Besuch ihrer Mutter jede Sparsamkeit fallen und dafür auftischen läÃt, bis sich Tische und Bänke biegen â wer hätte das gedacht!«
Zufrieden betrachtete Eleonore das lange Holzregal, auf dem sich Dutzende von Blechdosen aneinanderreihten. Schon im November hatte sie damit begonnen, kleine Honigkuchen und Pfeffernüsse zu backen. Danach waren saftige Früchtekuchen mit kandiertem Obst, Marzipan- und NuÃstollen und das kräftige, aus dunklem Korn gebackene Schnitzbrot gefolgt, welches König Wilhelm besonders gern mochte. In Papier eingeschlagen und in den Dosen aufbewahrt, konnten die würzigen Backwaren ihr ganzes Aroma entfalten. Nun, gegen Ende der dritten Adventswoche, waren nur noch kleine Lebkuchen, Schokoladentaler und NuÃbeugel zu backen, ansonsten konnte Eleonore sich wieder ganz ihrer Hauptaufgabe, nämlich den für die tägliche Tafel bestimmten SüÃspeisen widmen. Morgen, so hieà es, würde man Maria Feodorownas Zug erwarten. Für dieses Ereignis hatte Eleonore sich etwas ganz Besonderes ausgedacht und ihre Idee von Johann beim Hofzeremonienmeister, vor dem sie selbst gehörigen Respekt hatte, absegnen lassen. Die Zutaten dafür standen bereit. Nun blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als auf ein gutes Gelingen zu hoffen. Während sie auf Sophie wartete, ging sie im Geistnochmals alle Handgriffe durch, die getan werden muÃten, um die gebackenen
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