Die Zuckerbäckerin
dunkle Wolke über ihr nicht weiterziehen. Ihre Schwangerschaft konnte es nicht sein, sie freute sich auf das kommende Leben und konnte es kaum erwarten, ihr viertes Kind gesund in ihre Arme zu schlieÃen. Auch wurde sie von keinem der Leiden geplagt, über die andere Damen in ihrem Zustand so gerne klagten. Wie bei früheren Schwangerschaften sah Katharina auch dieses Mal keinen Grund dafür, sich monatelang nur der MuÃe hinzugeben. Nach wie vor ging sie ihrer Arbeit nach, spielte mit den Buben und mit Marie und begleitete Wilhelm bei allen möglichen offiziellen Anlässen. Obwohl ihm so manches Mal anzusehen war, was er davon hielt, mit einer hochschwangeren Gattin an seiner Seite ein Ehrenregiment hoher Offiziere oder ausländische Gäste zu empfangen.
War es der Besuch bei den Heimarbeiterinnen gewesen, der ihr zu schaffen machte? Das konnte schon eher sein, denn dabei hatte sie eine schmerzliche Wahrheit erfahren müssen: Trotz allen Bemühens würde sie nie ganz in die Herzen der Frauen sehen können. Sie konnte die schlichtesten Kleider tragen, die Haare in einem einfachen Zopf ohne Zierrat tragen und versuchen, bei dem beiÃenden Geruch der Treppenhäuser nicht die Nase zusammenzuziehen â trotzdem trennten sie und die Frauen Welten. Sie wuÃte das, und die Frauen wuÃten es ebenfalls. Ãberall stieà Katharina auf die gröÃte Verehrung, den freundlichsten Empfang. Die teilweise verschämte Befangenheit einiger Frauen angesichts des Besuches in ihren engen, dunklen Kammern tat dem keinen Abbruch. Katharina hatte ihnen, den Ãrmsten der Armen, Arbeit gegeben. Saubere Arbeit, die ihnen nach Hause gebracht wurde, diesie dort verrichten konnten und die Woche für Woche wieder abgeholt wurde.
Katharinas Hintergedanke bei dieser neuen Form der Arbeitsbeschaffung war eine von Eleonore geäuÃerte Beobachtung in der Beschäftigungsanstalt gewesen. Mit hochrotem Kopf hatte sie verschämt die Frage gestellt, wo sich eigentlich die Kinder der Frauen während deren Abwesenheit von zu Hause aufhielten und ob man sich nicht um sie sorgen müsse. Innerhalb von wenigen Wochen hatte Katharina daraufhin zusammen mit den Mitgliedern des Wohltätigkeitsvereins ein System aufgestellt, welches den Frauen erlaubte, dort zu arbeiten, wo sie ihre Kinder unter Aufsicht hatten. Laubsägearbeiten aus Holz, kleine Tiere und Püppchen, die bunt angemalt jedes Kinderherz höher schlagen lieÃen, sollten hergestellt werden. Das Material und Mustervorlagen wurden den Frauen gebracht, um den Verkauf dieser Teile würde sich ebenfalls der Wohltätigkeitsverein kümmern.
Katharinas Vorstellung von spielenden, ihren Müttern zu FüÃen sitzenden Kindern zerplatzte allerdings schon bei ihrem ersten Besuch wie eine Seifenblase: SaÃen doch die kleinen Würmchen mit ihren Müttern am Tisch, eine Feile ungelenk in den Händchen haltend, während die Säuglinge â in viel zu enge Tücher gewickelt â schreiend in ihren Krippen lagen. So hatte Katharina sich das nicht vorgestellt. Nur mit Mühe gelang es ihr, die ihrer Ansicht nach herzlosen Mütter nicht mit Vorwürfen zu überschütten. Kurze Zeit später war sie froh, nichts gesagt zu haben. Denn wie Schuppen fiel es ihr von den Augen: Diese Kinder besaÃen kein Spielzeug, und sie hatten auch keine Zeit zum Spielen. Statt dessen muÃten sie helfen, das Spielzeug für glücklicher gestellte Altersgefährten herzustellen, um so zum Ãberleben ihrer Familie beizutragen!
Katharina war nach dieser Erfahrung zutiefst verstört.
Sie beschloà kurzerhand und gegen den Protest einiger Mitglieder des Wohltätigkeitsvereins, die Frauen nicht mehr stundenweise, sondern nach Stückzahlen zu bezahlen. Dadurch, so hoffte sie, würden die allesamt äuÃerst geschickten und flinken Heimarbeiterinnen auch ohne die Mithilfe der eher ungeschickten Kinderhände mit dem Lohn zurechtkommen. Doch trotz dieser MaÃnahme kam sich Katharina vor wie jemand, der versuchte, mit einer kleinen GieÃkanne einen riesigen Waldbrand zu löschen. Ein anderer Mensch hätte angesichts des Waldbrandes resigniert. Als Katharina jedoch an diesem Abend zu Bett ging, wuÃte sie, daà sie in Zukunft noch mehr für die Armen im Land tun muÃte. Das war der einzige Weg â zu jammern und zu klagen hatte noch niemals geholfen!
Wilhelm. War es also doch
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