Die Zufalle des Herzens
von David Cassidy auf sich ruhen lassen, der aus dem Poster an der Zimmerdecke auf sie herabschaute. Während sie so dalag, dachte sie sich Geschichten aus, die das Verhalten ihres Vaters erklären könnten, denn sie wünschte sich verzweifelt, dass eine freudigere – oder zumindest nicht ganz so tragische – Erklärung ans Tageslicht käme. Beinahe glaubte sie selbst, dass das eines Tages passieren würde. Beinahe.
Am darauffolgenden Tag hatte sie mit Bedacht ihre beste Cordhose und eine Kunstseidenbluse angezogen und den Fön so lange betätigt, bis er ihr den Schädel verbrannte, während sie ihre Haare in eine Außenwelle à la Farrah Fawcett drehte. Vielleicht würde ja nicht die ganze siebte Klasse ihr aus dem Weg gehen, wenn sie normal aussähe – besser als sonst, aber nicht deutlich anders.
Es hatte nicht funktioniert. Selbst ihre besten Freundinnen waren ratlos gewesen und hatten sie zwar zum Mittagessen bei sich sitzen lassen, aber kein Wort mit ihr geredet. Was hätte sie nicht darum gegeben, wieder nach Hause und unter dieses Poster zu kriechen, in David Cassidys braun gebrannte, gefühlvolle Arme.
Connie lehnte das Angebot ihrer Mutter ab und ging zur Schule. »Ich bin in der dritten Klasse«, hatte sie gesagt. »Die wissen das wahrscheinlich gar nicht.« Als Dana sie nachmittags ausquetschte, war die Einzige, die etwas gesagt hatte, »Patsy McCarthy, die ganz im Ernst glaubt, dass sie eines Tages eine Heilige wird«, hatte Connie gespottet. »Als wär das ein richtiger Beruf.«
Besser, Morgan bringt es hinter sich , entschied Dana, die angespannt in ihrem Bett lag. Besser erst gar nicht schwach oder schuldig erscheinen . Doch die Vorstellung, wie sie am nächsten Tag ihre zerbrechliche Tochter in den Kampf schickte, ließ Danas Muskeln vor mitempfundenem Schmerz zucken. Morgan war mit nichts anderem als dem Glauben ihrer Mutter an sie bewaffnet, was in der primitiven Welt vorpubertärer Mädchen so gut wie nichts galt. Unfähig, die Augen länger als eine Minute geschlossen zu halten, warf sie die Bettdecke von sich, ging hinunter in die Küche, goss sich ein großes Glas zuckerfreie Limonade ein und riss eine Tüte Kartoffeln auf.
Es war ein größerer Berg, als sie ihn je zuvor gemacht hatte, und er schimmerte auf dem Teller, lauter Yukon-Goldklumpen, wie zur Segnung mit Öl besprenkelt. Jeder Bissen war eine verführerische Ablenkung von ihren Sorgen, und erst als sie mit dem Rücken ihrer Gabel die letzten knusprigen braunen Krümel zerdrückte, merkte sie, wie schwer und überladen ihr Magen sich anfühlte, so als hätte sie statt Bratkartoffeln Kugellager in Motorenöl gegessen. Diese neue Empfindung war keine Ablenkung mehr, sondern verstärkte nur ihre Unruhe.
Das ist unkontrolliertes Essen , kam ihr der entsetzliche Gedanke. Ich mache es auch . Klirrend ließ Dana die Gabel auf den Teller fallen, den sie anschließend so heftig wegstieß, dass er beinahe über den Rand des Küchentischs gerutscht wäre. Schließlich gab sie den herzzerreißenden Schluchzern, die den ganzen Tag schon loszubrechen gedroht hatten, freien Lauf.
Nachdem die Tränen versiegt waren, legte sie den Kopf auf den Tisch, die Wange fest auf das harte, kühle Holz gepresst. Ihr Denken verlangsamte sich, und sie spürte, wie eine Leere sie überkam, die an Erleichterung grenzte, aber auch etwas beängstigend war. Sie fragte sich, ob sie überhaupt noch über irgendetwas Gewissheit haben konnte oder ob alles nur Lügen gewesen waren, die sie sich selbst erzählt hatte, um sich normal fühlen zu können – die Zufriedenheit ihrer Kinder, Pollys Loyalität, Kenneths Liebe, ihre eigene Selbstbeherrschung. Alles weg.
Dann kam ihr ein merkwürdiger Gedanke – sie hatte den Wunsch, ja sogar das Bedürfnis herauszufinden, wie alles so gekommen war. Sie wollte verstehen, wie das, was früher wahr gewesen war, sich in das verwandelt hatte, was jetzt wahr war. Es war an der Zeit weiterzugraben, zu den tiefer liegenden Wahrheiten vorzudringen.
So war sie zum Beispiel immer eine fürsorgliche Mutter gewesen, aber machte sie das wirklich zu einer guten Mutter? Gebe ich Morgan, was sie braucht? , fragte sie sich. Verstehe ich sie wirklich? Was sie sicher nicht verstand, war dieses Bedürfnis, das Morgan hatte, mit Gewalt Essen aus ihrem Körper hinauszubefördern. Dana sah keinen Sinn darin, und dennoch wünschte sie sich sehnlichst, es zu verstehen. Wie konnte etwas so Widerliches sich nur gut anfühlen?
Sie ging in den
Weitere Kostenlose Bücher