Die Zufalle des Herzens
nach Städten geordneten Therapeutenlisten. Dana suchte sich ein paar freundlich klingende Namen aus und glich sie mit der Liste »Ihre Dienstleister im Gesundheitswesen« ab, die sie von ihrer Krankenkasse bekommen hatte. Bethany Sweet tauchte auf beiden auf.
Mit einem solchen Namen kann eigentlich nichts schiefgehen , dachte Dana, oder es wird das komplette Desaster .
Als sie gerade Mrs Sweet eine Nachricht auf deren Mailbox sprach, hörte sie, dass sich im Flur etwas bewegte. Sie fragte sich, wer wohl so früh auf sein mochte. Sie folgte dem Geräusch der Schritte hinaus in die Diele, wo Kimmi komplett angezogen, die gepackte Tasche von ihrer schmalen Schulter hängend, an der Tür wartete. Mit einem flüchtigen Blick über die Schulter bemerkte sie Dana und zuckte zusammen. »Ich … ich habe meine Mom angerufen«, murmelte sie atemlos. »Mir geht es nicht gut, und sie ist schon auf dem Weg hierher.« Sie richtete ihren verzweifelt suchenden Blick durch das kleine Fenster gleich neben der Tür. »Da ist sie!«
»Ich bringe dich raus«, sagte Dana.
»Nein!«, sagte Kimmi. »Das brauchen Sie nicht.« Sie drehte den Türknauf, und als sie die Tür öffnete, stand Nora, im Begriff zu klopfen, auf der Eingangsstufe. Ihr normalerweise seidig glänzendes, mahagonifarbenes Haar war stumpf und zerzaust. Sie trug eine Kapuzenjacke aus grünem Velours, die nur notdürftig verbarg, was wie ein Schlafanzugoberteil aussah. »Du hast gesagt, du würdest draußen warten«, brummte sie. Dann entdeckte sie Dana. »Geh ins Auto«, befahl sie Kimmi. Das brauchte sie dem Mädchen nicht zwei Mal zu sagen.
»Es wäre sicher keine schlechte Idee, dass wir mal miteinander reden«, schlug Dana vor. »Vielleicht etwas später am Tag.«
Nora fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Nein«, widersprach sie. »Sprechen wir’s lieber gleich aus.«
»Oh, na gut … wenn Sie wollen …«
Nora unterbrach sie. »Ich weiß über Morgans Essstörung Bescheid. Ich weiß es schon seit Wochen, hatte aber beschlossen, die Freundschaft sich erst mal entwickeln zu lassen. Wir gehören nicht zu den Leuten, die ihre Tochter von einem Kind weglenken, das von ihrer Freundschaft profitieren könnte. Aber jetzt, wo Kimmi mir erzählt hat, was sie getrieben haben, muss ich als verantwortliche Mutter einen Schlusspunkt setzen. Ich kann nicht zulassen, dass sie vom Unglück eines anderen Mädchens heruntergezogen wird.«
Danas Gesicht weitete sich vor Schreck. Kimmi heruntergezogen? KIMMI ?
»Nora, Sie haben jedes Recht, zu tun, was für Ihre Tochter das Beste ist, aber ich glaube, Sie sollten wissen, was ich heute Nacht gesehen und gehört habe.«
Nora schnaubte ungeduldig. »Ich weiß , was Sie gesehen und gehört haben. Kimmi hat mir alles erzählt. Morgan hat diese fürchterlichen Brownies gebacken und Kimmi gezwungen, sie mit ihr zu essen, und dann hat sie ihr gezeigt, wie sie sie wieder erbricht.«
»Es tut mir leid, Nora, aber so war es nicht . Ich habe sie gehört. Kimmi hat gesagt … Also, um ganz ehrlich zu sein, sie hat sich damit gebrüstet, wie gut sie sich selbst zum Erbrechen bringen kann. Für mich hat es sich so angehört, als würde Kimmi es schon eine ganze Weile machen, und ich …«
Noras Augen verengten sich zu Perlen der Wut. »Wagen Sie es nicht, meiner Tochter die Schuld dafür zu geben! Kimmi ging es wunderbar, bis sie sich mit Morgan anfreundete. Polly hat mir von Morgans Problem erzählt, und ich hatte Mitleid mit ihr – um ›ganz ehrlich‹ zu sein, wie Sie sagen« – dabei schnitten Noras Finger Gänsefüßchen in die Luft – »und mit Ihnen auch! Das ist nun der Dank dafür. Ich hätte es wissen müssen …«
»Moment mal«, sagte Dana und griff schließlich das merkwürdigste Detail aus diesem Schwall heraus. » Polly hat es Ihnen erzählt?«
Mit einer schroffen Handbewegung wischte Nora das Eingeständnis beiseite. »Meine arme Tochter wartet im Auto, vermutlich traumatisiert, und ich stehe hier und gebe mich mit Ihnen ab. Ich kann nur sagen, ich hoffe, Sie haben etwas gelernt und übernehmen endlich Verantwortung!«
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt, riss die Tür auf und schoss hindurch, als hätte eine Steinschleuder sie katapultiert. Es war klar, dass sie vorhatte, die Tür zuzuknallen, da sie jedoch beim Umdrehen aus Versehen einen von Gradys Stollenschuhen auf die Türschwelle gekickt hatte, sprang die Tür wieder auf. Für den Bruchteil einer Sekunde hielt sie inne, als überlegte sie, ob sie
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