Die Zufalle des Herzens
Veranda stand ein junger Mann in Khakihose und einem leicht zerknitterten Button-Down-Hemd mit einem braunen Fleck auf der Brusttasche. Er hatte dunkles, ungekämmtes Haar, und als er sie durch das Fenster neben der Tür kommen sah, strich er sich die Fransen aus der Stirn.
»Äh, hallo …«, sagte er, als Dana die Tür öffnete. »Ist Alder hier? Ach ja, Happy Thanksgiving!«, fügte er rasch hinzu. »Ich hoffe, ich … Sind Sie … noch beim Essen?«
Zuerst dachte Dana, er könnte ein Mitglied des Wilderness Clubs sein – vielleicht ein Junge, der sich unter dem Eindruck wohliger Feiertagsgefühle traute, sich an ihre Nichte heranzumachen. Allerdings kam die Stimme ihr irgendwie bekannt vor.
»Ihnen auch, Happy Thanksgiving!«, sagte sie, ihm die Tür aufhaltend. »Wir sind gerade fertig – kommen Sie doch rein.« Sie folgte ihm durch die Diele, und erst, als sie ins Esszimmer gingen, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Am liebsten hätte sie ihn an seinem fleckigen Hemd gepackt und schnurstracks wieder nach draußen befördert. Nein! , hätte sie ihm gerne gesagt. Keinen Schritt weiter!
Doch da stand er schon im Türbogen zum Esszimmer, und sämtliche Geräusche verstummten. Dann sagte Jet: »Wer ist das denn?«, und Connie sagte: »Ethan, du kleiner Pisser«, und Ethan sagte: »Alder, bitte . Können wir bitte einfach irgendwo hingehen und reden?«
Alder hielt die Augen starr auf Ethan gerichtet. »Warum sollte ich je mit dir allein sein wollen?«
Sein Blick sprang zu den anderen Frauen, dann wieder zu Alder. »Bitte« , flüsterte er.
Alder verschränkte die Arme. Sie warf Connie und Jet einen Blick zu. »Ist es okay, wenn ihr geht?«, fragte sie. »Dana kann bleiben.« Es war das allerkleinste Zugeständnis, das sie ihm machen konnte – eine Zuschauerin statt drei.
Connie starrte Dana einen Moment lang an, und in ihren Augen lagen Wut darüber, nicht die Auserwählte zu sein, und die inständige Bitte, im Zweifelsfall einzugreifen. »Keine Wiederauffülltaktik« , murmelte sie im Aufstehen. Sie nahm Jet am Arm und ging mit ihr in Richtung Wohnzimmer. Dana war sich ziemlich sicher, dass sie lauschen würden, aber auch, dass es Alder nichts ausmachte. Sie nahm neben ihrer Nichte Platz.
Das Mädchen sah seinen ehemals besten Freund an. »Woher wusstest du überhaupt, wo ich bin?«
»Deine, äh … deine Mom hat mir die Nummer gegeben. Und als du nicht zu Hause warst, hab ich mir gedacht, du wärst vielleicht immer noch … Du hast manchmal von deiner Tante gesprochen, und ich konnte mich an ihren Namen erinnern, und …«
»Du hast meine Tante gegoogelt ?« Empört schürzte sie die Lippen. »Also gut, was auch immer du hier willst, bringen wir’s hinter uns.«
Er holte Luft und hielt sie an, so als würde er jeden Moment hier im Esszimmer von einem Dreimeterbrett in ein Kinderbecken springen. »Erstens tut es mir total leid.« Jetzt strömte die Luft aus ihm heraus, und seine Entschuldigung machte ihn ein wenig atemlos. »Ich bereue ja so, was ich getan habe«, fuhr er kläglich fort.
Dana schielte zu ihrer Nichte. Um deren Augen herum hatte die Spannung nachgelassen, und ihr Kiefer hatte sich gelöst. »Warum?«, sagte Alder.
»Ja, ja, ich weiß«, gab er klein bei. »Warum hab ich einen solchen Mist gebaut, noch dazu mit dem einzigen Menschen … Mein Gott, Alder, ich kapiere es doch selbst kaum.«
Unwillig, die Augen halb geschlossen, wandte sie sich ab.
»Warte«, sagte er beklommen. »Ich glaube, es ist … Irgendwie konnte ich danach nicht mehr so sein wie vorher. Es war so … viel … Diese ganzen Gefühle, die mich total verrückt gemacht haben. Ich hatte ja schon fast keine Lust mehr, zum College zu gehen! Ich wollte nur dableiben und jede Sekunde mit dir verbringen und verheiratet sein oder so was. Ich bin achtzehn Jahre alt, Herrgott noch mal – ich dachte, das ist einfach noch nicht dran. Ich bin so ein Schwachkopf!«
Ein kaum merkliches Schnauben von Alder, ein Zeichen der Zustimmung, des Weicherwerdens.
»Außerdem«, fuhr er vorsichtig fort, »kennst du mich so gut … Irgendwie zu gut.«
Ihre Augen verengten sich.
»Manchmal hat es mich richtig erschreckt, wie du beinahe meine Gedanken lesen konntest – und glaub mir, die meisten Typen wollen nicht, dass Mädchen wissen, was sie denken.« Einen Moment lang hielt er inne, den Blick weich vor Reue. »Ich wusste, ich schulde dir eine Erklärung dafür, dass ich gegangen bin, ohne … Aber irgendwie hab ich angenommen
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