Die Zufalle des Herzens
… du wüsstest Bescheid.«
»Ich hab aber nicht Bescheid gewusst!« Den Finger auf ihn gerichtet, schnellte Alder auf ihrem Stuhl nach vorne. »Ich lese deine Gedanken nicht wie ein verdammtes Comicheft , so als bräuchte ich nur die Seite umschlagen, um zu wissen, dass du mich vögeln und dann abhauen wirst!« Heiße Tränen traten ihr in die Augen. »Ich hab dir mehr vertraut als irgendjemandem sonst , und du hast mich ausgenutzt ! Ich dachte, du wärst anständig, aber da hab ich mich getäuscht, was? Du bist einer, der sich holt, was er braucht. Mehr nicht!«
Ein Stöhnen entfuhr ihm, und die Muskeln um seine Wirbelsäule schienen sich zu lösen. Dana fragte sich, ob er wohl zusammenbrechen würde. »Alder«, sagte er, »wenn es in meinem Leben irgendwas gibt, was ich gerne rückgängig machen würde, dann ist es das .«
Alder schloss die Augen und drehte den Kopf weg, während die Tränen ihr ungehindert übers Gesicht liefen. Dana nahm ihre Hand, die sich lose und schwach anfühlte.
»Du fehlst mir so sehr «, murmelte Ethan. »Das College ist ätzend. Da gibt es niemand, der so ist wie du. Ich hatte gedacht, das wäre etwas Gutes – es wäre eine Erleichterung, anonym zu sein. Was es auch war. Ungefähr eine Woche lang.« Er ließ sich an den Türrahmen sinken. »Dann bin ich so einsam geworden. Ich hab immer drauf gewartet, dass es vorbeigeht, wie eine Grippe oder so was.« Ein mattes Schulterzucken. »Es wurde etwas besser, nachdem ich mich mit ein paar Leuten angefreundet hatte. Aber, Mann, ich hatte vergessen, wie viel man reden muss. Ständig muss man erklären , wer man ist und worauf man steht.
Ich fand es immer schon unheimlich, wie gut du mich kanntest – deshalb war mir auch nicht klar, wie anstrengend es ist, anderen Leuten etwas von sich zu erzählen ! Kaum sagt man, dass man Schinken nicht mag, kriegt man die entsprechenden Kommentare zu hören. Entweder es geht ihnen genauso, und sie müssen dir auf die Nase binden, an welche ekligen Dinge sein Geschmack sie erinnert. Oder sie sind gegenteiliger Meinung und müssen irgendwelche lahmen Witze darüber machen. Wen zum Teufel interessiert das! Diese ganze Flut von albernen Worten, und ich denke nur: ›Alder redet nicht so. Sie malt einfach, und wir hängen zusammen ab, und alles ist gut.‹ So gut, dass es schon wehtut .«
Alder weinte lautlos, mit bebenden Schultern. Dana drückte ihr eine Serviette in die freie Hand, und das Mädchen wischte sich damit das Kinn ab.
»Ich wollte dir nur sagen …« Ethan klang so matt, als könnte er sich jeden Moment auf die glänzenden Eichendielen des Esszimmerbodens legen und in die Bewusstlosigkeit gleiten. »Du sollst nur wissen, dass ich weiß, was ich getan habe. Ich weiß, wie sehr ich dich verletzt habe. Und es tut mir so leid.«
Kurz darauf hörten Alders Schultern auf zu beben, und sie atmete schniefend ein, während sie sich die Serviette auf die Augen drückte, um die Tränen zurückzuhalten. »Okay«, flüsterte sie.
Ethan lebte ein wenig auf. »Ja?«, sagte er noch ziemlich ungläubig.
Alder zuckte die Schultern. Sie drückte Danas Hand, ließ sie los und stand auf. Dann ging sie auf Ethan zu, gab ihm ein Zeichen, in die Diele zu gehen, und folgte ihm hinaus. Die Haustür ging auf und zu. Dana trat ans Küchenfenster, schließlich war sie dazu abgeordnet, die Lage zu überwachen. Ungefähr fünf Minuten standen die beiden da und redeten, beide mit gegen die Kälte fest verschränkten Armen, den Blick die meiste Zeit gesenkt, nur ab und zu sahen sie sich kurz an. Sie berührten sich nicht ein Mal. Dann ging Ethan die Einfahrt hinunter und fuhr davon.
- 42 -
H eute Nachmittag warst du klasse, Connie«, sagte Dana, als sie an diesem Abend schlafen gingen.
»Worauf willst du hinaus?« Connie drehte sich um und zog dabei Decke und Laken mit auf ihre Seite.
»Du hast Alder über Ethan reden lassen, als sie dazu bereit war – das war genau das, was sie gebraucht hat.« Dana zog ein paar Zentimeter Decke zu sich zurück und seufzte. »Bevor ich Kinder hatte, war mir gar nicht bewusst, wie viel Selbstbeherrschung man als Mutter aufbringen muss.«
Connie boxte ein oder zwei Mal in ihr Kissen, ehe sie sich hineinwühlte wie eine Bärin, die sich zum Winterschlaf fertig macht. Ihre Atmung verlangsamte sich, und Dana dachte schon, sie wäre vielleicht eingeschlafen, als Connie sagte: »Warum hast du Dad ›abwesend‹ genannt?«
»Wovon redest du?«, brummte Dana in der Hoffnung, schläfrig
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