Die Zufalle des Herzens
ihre in Pantoffeln steckenden FüÃe trugen sie zum Kühlschrank. Joghurt, Mandeln, Ãpfel, versuchte sie sich einzureden. Nein, die genügen nicht. Kartoffeln, Ãl, Salz ⦠Ja . Und bevor sie sich besann, brutzelten Bratkartoffeln in einer Pfanne auf dem Herd, ihr Geruch einer Droge gleich, einer knusprigen, goldenen Tröstung.
Eine Erinnerung an ihre Mutter schoss Dana durch den Kopf. Wie sie an einer Pfanne stand, etwas briet â Würstchen in Butter vielleicht oder Leber mit Zwiebeln â und penetrante, beiÃende Gerüche durchs Haus drangen. Am Ende ihrer Zigarette hing Asche, deren heimliche Glut nur sichtbar wurde, wenn ihre Mutter kräftig am Filterende zog. Ihre Mutter zog immer kräftig.
Ma war einsam , wurde Dana bewusst. Daddy kam nach der Arbeit nach Hause und setzte sich aufs Sofa. Damals, als sie geheiratet hatten, da mochte er sie gekannt haben, aber am Ende schien er überhaupt niemanden mehr zu kennen. Nur das Innere seines eigenen Körpers, ins Sofa gepresst wie ein gesunkenes Schiff.
Dana goss sich ein Glas zuckerfreie Limonade ein und füllte eine Müslischale mit den Bratkartoffeln. Sie setzte sich und aà und fühlte sich getröstet. Sie wusste, dass diese Art von Schmerzlinderung trügerisch war und sich in Selbstvorwürfe verwandeln würde, sobald das letzte Stück ihre Lippen erreichte. Aber diese wenigen Momente waren eine Galgenfrist. Und das war alles, was sie sich erhofft hatte.
Am nächsten Morgen war Alder spät dran und wirbelte, vor sich hin murmelnd, hektisch in der Küche herum, bevor sie losrannte, um den Bus noch zu bekommen. Morgan beschwerte sich bei Dana, es sei nur noch eine gefrorene Waffel da und warum sie nicht mehr gekauft habe. Grady kam in Shorts und im Basketballshirt nach unten, dessen glänzender Polyesterstoff im Licht der Küchenlampen schimmerte.
»Dafür ist es heute zu kalt«, sagte Dana, noch erschöpft von ihrem nächtlichen Streit mit Kenneth und dem darauffolgenden Kochprojekt. »Wie wärâs mit einer Hose und einem langärmeligen Hemd?«
»Mir ist nicht kalt«, sagte Grady. Er angelte sich die Lucky Charms aus dem Müsliregal und fing an, nach seiner Lieblingsplastikschale zu wühlen, die einen integrierten Strohhalm hatte.
»Grady, mein Schatz, drauÃen sind es ungefähr sieben Grad. Wenn du das anlässt, wirst du frieren.«
»Werd ich nicht.« Als er seine Schale mit Lucky Charms füllte, purzelten einzelne davon über den Rand.
»Grady, ich bitte dich, etwas anderes anzuziehen.« Dana spürte, wie sie allmählich die Geduld verlor. Die Hände in den Hüften, trat sie näher an seinen Stuhl.
»Nein.« Er aÃ, während er die Packung mit den Lucky Charms studierte, als berge sie die Antwort auf die Frage, wie man einen Wurf von der Mittellinie ausführte. Hätte er innegehalten, um sie anzusehen, ihr auch nur den geringsten Hinweis gegeben, dass er ihrem Argument Beachtung schenkte, hätte sie es dabei bewenden lassen. Doch seine völlige Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Bitte â eine Gleichgültigkeit, die beide, er und Morgan (und Kenneth!), unzählige Male an den Tag gelegt hatten â brachte das Fass zum Ãberlaufen. Dana schlug mit der Hand auf den Tisch. »Zieh dir was anderes an, hab ich gesagt!«
Grady zuckte zusammen und lieà mit einem Klappern seinen Löffel auf den Tisch fallen. »Ich ziehe eine Jacke an, okay?«, murmelte er kleinlaut. »Und mache den ReiÃverschluss bis obenhin zu, versprochen.«
Es war mehr sein Ton als sein Schwur, den ReiÃverschluss zuzumachen, der sie einlenken lieÃ. Sie hatte ihm einen Schrecken eingejagt. Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich zu brüllen, und die auf den Tisch geschlagene Hand, das war einfach ⦠ach, sie wusste es selbst nicht mal. Es war, als hinge ihr Arm an einer Schnur, an der jemand anders zog.
Sie sah flüchtig zu Morgan hinüber, die beim Toaster stand und darauf wartete, dass ihre gefrorene Waffel heraussprang. Morgan hatte sie beobachtet, und als der Hebel am Toaster hochkam, schien sie es gar nicht zu bemerken.
»Deine Waffel ist fertig«, sagte Dana. Da drehte Morgan sich um und schnippte die Waffel aus dem Toaster auf einen Teller.
Sie waren spät dran, und Dana musste sie fahren. Als sie in die Haltespur der Middle School einbog, sagte Morgan: »Du hast doch die Liste
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