Die Zufalle des Herzens
âºGruppendynamikâ¹ ist ihr groÃes Ding, was ja auch schlau ist, wenn man genauer darüber nachdenkt. Ein unausstehlicher Mensch kann einen ganzen Abend ruinieren.«
»Wie kann jemand in Bezug auf Bücher unausstehlich sein?«
»Ach Dana, als obâs um die Bücher ginge. Es ist einfach eine Gelegenheit, rauszukommen, Wein zu trinken und zu quatschen!«, sagte Polly grinsend. »Ich glaube, Victor hat sich ein bisschen in sie verguckt.«
»Dein Mann Victor?«
»Ja, mein Mann! Oder kennst du noch andere Victors?«
»Stört dich das denn nicht?«
»Nö, was sollâs? Wir haben doch alle unsere gelegentlichen kleinen Schwärmereien.« Polly machte eine kurze Handbewegung. »Lassen wir das. Erzähl mir von der Party.«
Beim Gedanken daran spürte Dana die Hoffnungslosigkeit in sich aufwallen. Sie schilderte, wie sie Morgan beim Aufessen der Kuchenreste von den Tellern der anderen Mädchen beobachtet und die Zuckergussspuren in der Toilettenschüssel entdeckt hatte.
»Vielleicht hatte sie sich ja den Magen verdorben«, sagte Polly. »Du weiÃt nicht mit Sicherheit, dass sie sich den Finger in den Hals gesteckt hat.«
Dana hielt im Gehen inne, und nach einem weiteren Schritt blieb auch Polly stehen. Die beiden Frauen blickten sich an. Polly sprach als Erste. »Das hätte ich jetzt besser nicht sagen sollen, was?«
Dana nickte. Ihr Kopf tat weh, und ihre Augen brannten.
»Ich will es nicht glauben«, murmelte Polly. »Ich liebe dieses Kind.«
Dana wandte sich dem See zu. Nicht weit von ihnen tanzte ein altes Aluminiumruderboot an einem Anleger auf und ab. Am liebsten wäre sie eingestiegen und losgerudert.
»Gut«, sagte Polly sanft. »Sie tut es. Wie helfen wir ihr?«
Dana zuckte die Schultern. Ein Windstoà kam über den See und entlockte ihrem Augenlid eine Träne.
»Das hat nichts mit dir zu tun«, sagte Polly. »Es ist nicht deine Schuld. Du bist eine fantastische Mutter, lieb und geduldig ⦠Mensch, du bist so geduldig, dass neben dir Gletscher aussehen, als hätten sie es eilig!«
»Ich weià nicht, was ich machen soll«, hauchte Dana. »Ich kann nicht mal â¦Â«
»Du besorgst dir Hilfe, das machst du. Als Erstes rufst du mal den Vertrauenslehrer an. Du hast dieses Problem nicht verursacht, und du kannst es nicht allein beheben.«
Dana wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Erzähl niemandem davon, okay? Nicht mal Victor. Er und Kenneth sind so eng befreundet, aber ich muss selbst mit Kenneth sprechen.«
»Na klar«, sagte Polly, als sie sich wieder zum Gehen wandten. »Keinen Pieps.«
Als Dana nach Hause kam und kurz den Kopf zur Tür des Fernsehzimmers hereinsteckte, saà Alder auf dem Boden und machte Hausaufgaben. Sie hob den Blick, verdrehte auf dramatische Weise die Augen und tat, als wollte sie vor lauter Frust ihren Bleistift zerbrechen. Dana lächelte ihr zu. Grady schaute im Keller einen ausgesprochen schrillen Zeichentrickfilm. Dana drehte den Ton leiser und ging die zwei Treppen zu Morgans Zimmer hoch.
Das Licht war immer noch aus, aber im Halbdunkel konnte Dana erkennen, dass Morgans Hand sich bewegte. Sie glitt langsam an dem Kissen mit dem Hershey-Druck auf und ab, so als streichelte sie ein verängstigtes Tier.
Das mache ich auch , wurde Dana bewusst. Ich fahre mit der Hand über Dinge, als wollte ich sie beruhigen, aber in Wirklichkeit beruhige ich mich selbst. Sie ging hinüber und setzte sich auf die Bettkante.
»Was gibtâs?«, sagte Morgan.
»Nichts. Ich wollte nur mit dir reden.«
»Worüber?«
»War dir gestern Abend schlecht, Liebling?«
Einen Moment lang schwieg Morgan. »Nein«, sagte sie schlieÃlich, aber ohne besondere Ãberzeugung, so als probierte sie eine Antwort aus, um zu sehen, ob sie funktionierte.
Los , drängte Dana sich selbst. Mach weiter . »Es hätte ja sein können«, sagte sie. »Ich dachte, du hättest vielleicht zu viel Kuchen gegessen und danach wär dir nicht wohl gewesen.«
»So viel hab ich gar nicht gegessen«, murmelte Morgan.
Dana wusste, dass es schwer werden würde, Morgan zu dem Eingeständnis zu bringen, dass sie erbrochen hatte, und trotzdem war sie immer noch erstaunt. Es war noch nicht so lange her, da hatte Morgan ihr alles erzählt. Jetzt musste sie sich etwas überlegen, um an ihre Tochter
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