Die Zufalle des Herzens
sich nicht. »Tony«, rief sie eindringlicher. Wieder nichts. Sie durchquerte den Raum und legte ihm die Hand auf den Arm. Seine Augenlider hoben sich zuckend, und er lächelte zu ihr auf, als erwachte er gerade aus der Schlussszene eines wunderbaren Traums.
»Entschuldigung«, sagte sie leise und lieà ihn allein, damit er sich vor seinem nächsten Patienten noch etwas sammeln konnte.
Als sie an diesem Abend vom Praxisparkplatz fuhr, fragte sie sich, worüber er wohl gelächelt hatte, welche Vorstellung eine so zufriedene Miene auf sein Gesicht hatte zaubern können. Und sie überlegte, ob sie wohl je so eng befreundet sein würden, dass sie es sich erlauben könnte, ihn zu fragen.
Als Dana kam, um Grady abzuholen, wurde sie von Amy Koljian an der Tür begrüÃt. »Sie sehen fern«, sagte sie. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
»Nein, überhaupt nicht.« Dana lächelte dankbar. Es machte ihr nichts aus, dass ihr Sohn hirnlose Werbung für Kriegsgerät in KindergröÃe und ungesunde Mikrowellensnacks angeschaut hatte. Immerhin war er in der Obhut eines Erwachsenen gewesen.
»Sie haben sich schwergetan, etwas zu finden, was sie beide machen wollten«, erklärte Amy mit einem bedauernden Seufzen. »Das Gezanke der beiden hat mich so zermürbt, dass ich schlieÃlich nachgegeben habe.«
Gezanke? Grady zankte nicht mit seinen Freunden. »Das tut mir leid«, sagte Dana erstaunt. »Ich hoffe, Grady hat keine Schwierigkeiten gemacht.«
Amy zuckte die Schultern und schüttelte leicht den Kopf, was so viel wie Weià der Geier? signalisierte, jedoch nicht, dass Grady keine Schwierigkeiten gemacht hatte. Auf dramatische Weise atmete sie ein, als wollte sie etwas bemerken, besann sich aber eines Besseren und lieà die Luft wieder entweichen. Dann atmete sie kurz durch. »Ich hab mich nur gefragt, ob Grady sich vielleicht an Timmys Erfolg stört. Beim Football, wissen Sie. Coach Ro bevorzugt ihn irgendwie.«
Das wurmte Dana in zweierlei Hinsicht: Jack ging absolut fair mit den Jungs um, und Grady war vielleicht nicht der beste Spieler der Mannschaft, leistete aber ganz sicher seinen Beitrag. »Oh, ich glaube nicht, dass Jack irgendjemanden besonders bevorzugt. Der Quarterback ist eine herausragende Position.« Rasch fügte sie hinzu: »Und Timmy macht das groÃartig.«
»Jack?«, sagte Amy. »Ist das sein Vorname? Ich glaube, den habe ich noch nie gehört.«
Dana hätte sich in den Hintern beiÃen können. »Er steht auf der Mannschaftshomepage«, sagte sie, hatte für die Antwort jedoch eine Sekunde zu lang gebraucht und war sich sicher, dass Amy in dieser Zeit begonnen hatte, sich selbst die Frage zu beantworten, wie Dana mit den persönlichen Daten des Trainers so vertraut geworden war. »Ich hole schnell Grady«, sagte sie und ging auf das Wohnzimmer zu, aus dem eine Kinderstimme aus dem Fernsehen befahl: »Versuchâs! Es ist hammermäÃig!«
Sie dankten Amy â Dana übermäÃig, Grady verhalten â und fuhren los, um Morgan abzuholen. Im Auto fragte sie ihn nach seinem Spielnachmittag. Ihre anfangs offenen Fragen arteten, je mehr er ihr auswich, desto mehr zu einem Kreuzverhör aus. Als sie in die Einfahrt der Kinnears bogen, drehte sie sich zu ihm um. »Grady, ich weiÃ, als wir uns gestern Abend unterhalten haben, hast du gesagt, dass alles in Ordnung ist, aber den Eindruck habe ich nicht. Und wenn du nicht darüber sprechen willst, kann ich dich nicht zwingen, aber dass du dich bei anderen Leuten schlecht benimmst, kann ich nicht zulassen, okay?« Er zuckte die Schultern und sah weg. Sie hoffte, dass der Grund für seine schlechte Laune rasch vergehen würde und sie ihn vor Leuten wie dieser arroganten Amy Koljian nicht mehr in Schutz nehmen musste.
Dana stieg aus und ging zum Haus, um Morgan zu holen. Nachdem sie sich verabschiedet hatten und auf die Veranda der Kinnears getreten waren, machte Nora die Tür noch einmal auf und flüsterte ein seltsam verstohlenes »Dana« . Als Dana sich umdrehte, bemerkte sie, dass Nora die Augen voller Anspannung zusammengekniffen hatte. »Lassen Sie uns heute Abend wie besprochen einen trinken gehen.«
Dana war hin- und hergerissen. Sie hatte Mitleid mit Nora, die bei all ihrem beruflichen, finanziellen und gesellschaftlichen Erfolg von einer verborgenen Traurigkeit erfüllt zu sein
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