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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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ihre Gelegenheit, und wir hatten keine Ahnung, wie viele es waren. Draufgänger hatte geglaubt, wir hätten die meisten erwischt. Aber offensichtlich hatten sich noch weitere in den Wäldern versteckt, waren herausgekommen, nachdem die Luft rein war, und hatten das hier angerichtet. Nacktes Grauen kroch mir über die Haut wie eine giftige Spinne, hinterlistig und unerbittlich.
    » Sie wollen uns aushungern«, flüsterte ich Bleich zu.
    Er nickte. » Für so etwas braucht es mehr als nur Instinkt. Es ist…«
    » Strategie«, beendete Pirscher den Satz. Es war das erste Mal, dass ich ihn etwas sagen hörte, seit er in meinem Zimmer gewesen war. Offensichtlich erschien ihm die Situation schwerwiegend genug, um über persönliche Streitigkeiten hinwegzusehen.
    » Das gefällt mir nicht«, murmelte ich.
    » Die Banden haben in den Ruinen ganz ähnliche Warnzeichen aufgestellt«, fuhr Pirscher fort. » Sie haben nur keine Köpfe benutzt.« Was sie stattdessen genommen hatten, sagte er nicht, und dafür war ich ihm dankbar.
    Entsetzen überkam die ganze Gruppe. Im Moment hatten wir zwar noch mehr als genug zu essen, aber ein einziger Ernteausfall konnte Erlösungs Zukunft zunichtemachen. Die Feldfrüchte wurden an alle Familien gleichmäßig verteilt, und Oma Oaks hatte einen kleinen Garten, wo sie noch mehr für den eigenen Bedarf anbaute. Aber der Garten allein würde uns nicht durch den Winter bringen. Andere hatten nicht genug Platz, um selbst etwas anzupflanzen, oder einfach keine Lust dazu.
    » Was sollen wir tun?«, fragte Draufgänger. » Richten wir es wieder her und säen ein zweites Mal aus?«
    Gute Frage. Jetzt, da die Freaks wussten, wie wichtig dieses Feld für uns war, würden sie vielleicht zurückkehren. Wir mussten Schutzmaßnahmen ergreifen, und Draufgänger schien das zu wissen. Er besprach sich leise mit den anderen Patrouillenführern. Sie alle waren in die Jahre gekommene Männer, die im Winter auf der Holzmauer Wache hielten. Nach einem kurzen Streit, während wir anderen den Wald im Auge behielten und ständig in der Brise schnüffelten, kamen sie zu einem Entschluss.
    » Wir werden das Problem vor den Stadtrat bringen«, erklärte Draufgänger. » Etwas an dem Verhalten der Stummies hat sich verändert. Es hat keinen Sinn, hier herumzulungern und zu warten, bis sie ein zweites Mal über uns herfallen. Marschieren wir zurück und berufen eine Notfallversammlung ein.«
    » Wir könnten einen Zaun darum bauen«, schlug einer der Pflanzer auf dem Rückweg vor, aber ein anderer lachte nur verächtlich.
    » Mit Säen und Jäten sind wir schon genug beschäftigt, du Schwachkopf. Wie sollen die Patrouillen neben den Pflanzern auch noch die Arbeiter beschützen? Außerdem weißt du ganz genau, wie mühselig es ist, so viel Holz zu fällen«, wetterte er und schaute mit düsterer Miene zum Waldrand hinüber.
    Ich folgte seiner Blickrichtung. Holz gab es dort genug, aber anscheinend auch Freaks in rauen Mengen.
    Eine der Wachen schüttelte den Kopf. » Für kein Geld der Welt würde ich dort hineingehen, nicht einmal, um die zu beschützen, die zum Wohl von Erlösung beim Holzfällen ihr Leben riskieren.«
    Seine Bedenken waren berechtigt. Es musste einen anderen Weg geben.
    » Wir könnten die Felder rund um die Uhr bewachen«, meldete sich ein Vierter zu Wort.
    In meinen Ohren klang das schon eher machbar, aber nicht weniger gefährlich. Hier draußen gab es keinen Rückzugsort, nur die Aussicht auf einen plötzlichen, grausamen Tod. Nicht jeder würde diese Anspannung ertragen. Natürlich hätte ich mich freiwillig gemeldet, und ich überlegte gerade, wie ich es Oma Oaks beibringen könnte, falls es so weit kam, als die Welt um mich herum vor lauter Zähnen und Klauen explodierte.
    Diesmal griffen die Freaks uns direkt vor dem Tor an. Sie waren geduckt an der Palisade entlanggelaufen, statt frontal über uns herzufallen. Offensichtlich hatten sie einiges an Hinterlist entwickelt, denn sie hatten sich mit Erde und Blättern getarnt, und sogar ihren Geruch hatten sie mit irgendwelchen Pflanzenextrakten übertüncht. Als wir sie sahen, waren sie schon entsetzlich nahe. Sie mussten sich während des Wachschichtwechsels angeschlichen und im toten Winkel der Türme versteckt haben.
    Räder stöhnten und Seile knarrten, während das Tor sich mühsam einen Spaltbreit öffnete.
    Wenn sie noch ein bisschen gewartet hätten, hätten sie direkt mit uns hineinmarschieren können.
    Ohne auch nur einen einzigen Gedanken

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