Die Zuflucht der Drachen - Roman
Ordnung. Ich habe ihn getötet.«
Das Letzte, woran sich Kendra erinnerte, war, wie Gavin versucht hatte, sie in den Rucksack zu schieben. Sie war schlapp und willenlos geworden, hatte ihn aus dem Blick verloren, und dann hatte sie traumloser Schlaf überwältigt.
»Wo sind die anderen?«, fragte Kendra.
»Immer noch bewusstlos«, antwortete Tanu. »Ich habe dich ein gutes Stück von den Dämpfen weggeschleppt, aber trotzdem hat es fast zwanzig Minuten gedauert, dich aufzuwecken.«
»Der Drache hat uns betäubt?«
»Eine Art Narkosegas. Wirkt sehr stark. Als Tanu und Seth mitten am Tag gleichzeitig in tiefen Schlaf gesunken sind, wusste ich, dass etwas nicht stimmt.«
»Tanu ist eingeschlafen? Aber Sie sind doch …!«
Tanu schüttelte den Kopf. »Ich bin Vanessa.«
Erschrocken rutschte Kendra ein Stück weg, und Tanu hob entschuldigend die Hände. »Sei froh, dass ich hier bin. Dieser Drache hätte euch alle getötet. Wo sind wir?«
Kendra zögerte. »Ich sollte es wohl besser nicht sagen. Sicher ist sicher. Wie haben Sie den Drachen getötet?«
Tanu grinste. »Wenn er schläft, kann ich jeden spüren, den ich jemals gebissen habe. Wie gesagt, ich war neugierig, weil Tanu und Seth so plötzlich das Bewusstsein verloren hatten, also habe ich die Kontrolle über Tanu übernommen und mir mit halb geschlossenen Augen ein Bild von der Lage verschafft. Zuerst war ich auf bloße Vermutungen angewiesen, aber sobald ich Dougan ausgestreckt neben mir liegen sah, wusste ich, dass hier etwas völlig schiefgelaufen war. Feiner Nebel lag in der Luft, und ich sah einen Drachen, der herumschnüffelte. Ich würde mich niemals als Drachenzähmerin bezeichnen, aber ich habe schon Drachen gegenübergestanden und dabei klaren Verstand behalten. Mich befiel eine durchdringende, irrationale Furcht, aber der Drache hatte mich noch nicht bemerkt, und so konnte ich dagegen ankämpfen. Neben mir sah ich ein Schwert auf dem Boden liegen. Mit Klingen konnte ich schon immer gut umgehen. Als sich der Kopf herüberdrehte, um mich und Dougan zu beschnuppern, richtete ich mich auf und schlitzte ihm die Kehle auf. Stell dir meine Überraschung vor, als die Klinge tief ins Fleisch schnitt und seine Schuppen zerteilte, als wären sie aus Pappe! Ein solches Schwert habe ich noch nie in der Hand gehabt. Mein Angriff traf den Drachen völlig unvorbereitet. Als ich aufsprang und ihm von unten einen zweiten Hieb versetzte, hatte ich das Ungetüm fast enthauptet. Heftig blutend taumelte der Drache davon und stieß süßlich duftenden Nebel aus. Er zog sich in eine düstere Höhle zurück und starb. Ich bin ihm nach und habe den Kopf ganz abgeschnitten. Nur um sicherzugehen.«
»Sie haben einen Drachen getötet«, sagte Kendra voll Ehrfurcht.
Tanu lachte. Es mochte die Stimme des Samoaners gewesen sein, aber das Lachen gehörte eindeutig Vanessa. »Sieht ganz danach aus.« Es war seltsam, Tanu in Vanessas Tonfall sprechen zu hören. »Ich bin nun vielleicht der einzige lebende Drachentöter. Nicht, dass ich mich dessen brüsten dürfte. Der Drache wurde mir förmlich auf einem silbernen Tablett serviert. Es kommt nicht oft vor, dass sich der entblößte Hals eines Drachen im Zeitlupentempo über dir bewegt. Und plötzlich war ich vor Ort und hielt ein scharfes Schwert in der Hand. Es wäre dem Ungetüm gar nicht in den Sinn gekommen, dass einer von uns möglicherweise bei Bewusstsein sein könnte. Er hat sich alle Zeit der Welt gelassen.«
»Soll ich Ihnen helfen, die anderen zu holen?«, fragte Kendra.
»Nein. Das Schlafgas hängt noch immer in der Luft. Ich werde sie herbringen müssen. Du kannst hier warten und helfen, sie aufzuwecken.« Tanu reichte Kendra das Fläschchen mit dem Riechsalz. Dann legte er den Kopf in den Nacken und begutachtete die hohe Decke. »Das hier ist keine normale Drachenhöhle. Wo sind wir? Du bringst uns nur in noch größere Gefahr, wenn du es mir nicht sagst.«
»Auf welcher Seite der Schlucht war die Höhle des Drachen?«, fragte Kendra.
»Auf dieser Seite.« Tanu streckte die Hand aus. »Ein Stück zurück.«
Die Antwort half Kendra, sich zu orientieren. »Hinter der Drachenhöhle haust eine Hydra. Und irgendwo weiter da vorn lauert ein unbekannter Wächter.«
Tanu runzelte die Stirn. »Sind wir in einem Drachentempel? Was habt ihr euch da eingebrockt?«
»Lange Geschichte«, sagte Kendra.
»Ich bin mir sicher, ihr habt eure Gründe«, murmelte Tanu. »Hör mal, ich werde jetzt den Rest deiner Truppe
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