Die Zuflucht der Drachen - Roman
anderen Satyre nicht mehr sehen konnte. Wie viele Meter waren es schon? Fünfzig? Sechzig?
Etwas Dunkles tauchte inmitten der wirbelnden Flocken auf und zischte durch die Luft. Seth streckte die Arme aus. Obwohl der Football genau in Laufrichtung kam, war es, als versuche Seth, einen Meteoriten zu fangen. Nur Hugo konnte einen langen Pass in einem derart flachen Bogen werfen!
Seth verlor den Halt und fiel, dass ringsum der Schnee aufspritzte, schaffte es aber, den Football festzuhalten; den Football fest an seine Brust gepresst, blieb er einen Moment lang in der Furche liegen, die er in den Schnee gepflügt hatte. Er spürte ein eisiges Brennen im Nacken und wusste genau: Sobald er aufstand, würde der Schnee, der sich in seinem Kragen gesammelt hatte, in einer eiskalten Lawine seinen Rücken hinunterrutschen.
»Wie sieht’s aus?«, rief Newel.
»Er hat ihn gefangen«, erwiderte Verl. »Touchdown.«
»Schon wieder?«, jammerte Newel. »Nächstes Mal spiele ich in Seths Team.«
»Nur zu«, meinte Doren aufgebracht. »Dann kann Verl mir wenigstens den Rücken freihalten.«
»Dieses Spiel ist doch oberfaul!«, protestierte Newel.
Verl wischte etwas Schnee von Seths Nacken und half ihm hoch. Der gutmütige Satyr hatte wollige, weiße Beine mit braunen Flecken, Stummelhörner und ein kindlicheres Gesicht als Newel und Doren. Er trug einen dicken, braunen Rollkragenpullover, während die beiden anderen Satyre mit nacktem Oberkörper spielten.
»Danke«, sagte Seth.
»Ich kann nicht glauben, dass du den gekriegt hast«, staunte Verl. Er hatte mehrere ähnliche Pässe sausen lassen.
»Ich auch nicht«, gab Seth zu. »Hugo wirft hart.«
»Ich schätze, Verlierer müssen laufen«, seufzte Verl und trottete davon, um sich für den nächsten Kickoff bereitzumachen.
»Seth!«, rief Oma von der Veranda. »Ein Auto kommt die Einfahrt herauf!«
»Kendra!«, stieß er hervor und ließ den Football fallen. »Ich muss gehen, Leute.«
Verl kam sofort zurück und strich mit den Händen seinen halb durchweichten Pullover glatt. »Wie sehe ich aus?«, fragte er nervös.
»Wie ein Prinz«, antwortete Seth. »Du weißt ja: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.« Er hatte Verl darüber informiert, dass Kendra heute ankommen würde, und ihn in seiner Hoffnung ermutigt, ihre Zuneigung zu erringen. Seit er erfahren hatte, dass seine Schwester noch lebte, war Seth wieder mehr der Alte.
»Ich weiß nicht«, wimmerte Verl und betrachtete den Wald. »Newel und Doren haben gesagt, Kendra wäre viel zu jung. Sie sagten, Stan würde mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn er von meiner glühenden Bewunderung erfährt.«
»Sei einfach ein Gentleman«, riet Seth. »Das ist der Augenblick, auf den du gewartet hast.«
»Ich würde ihn viel lieber auf meine Weise gestalten«, meinte Verl ausweichend und ließ sich ein wenig zurückfallen. »Vielleicht in einem Heißluftballon. Mit einem Picknick zum Mittagessen. Und mit Zylinder.«
»Ganz wie du willst«, erwiderte Seth und lief auf die Veranda zu. Er hatte Opa dazu bewegen können, den Satyren den Zutritt zum Garten zu erlauben, um mit ihm im Schnee Football zu spielen. Der Schneesturm hatte Kendras Ankunft um über eine Stunde verzögert, und er hatte sich mit irgendetwas ablenken müssen, während er auf die Ankunft seiner Schwester wartete.
»Du siehst aus, als hättest du Schnee-Engel gemacht«, bemerkte Oma.
An der überdachten Veranda angekommen, wedelte Seth mit den Armen und stampfte mit den Füßen, um die Schneeklumpen loszuwerden. »Verl war mein Manndecker, also hab ich den Ball ziemlich oft bekommen«, erklärte Seth. »Er ist nicht besonders gut im Tackeln, aber Newel packt ganz schön hart zu. Er hat mich zweimal von den Beinen geholt.«
»Du solltest nicht mit Satyren raufen«, tadelte Oma.
»Der Schnee bremst die Stürze, und die Jacke federt alles ab«, versicherte Seth. »Doren und ich haben neunundvierzig zu fünfunddreißig geführt.«
Oma half ihm, sich abzuklopfen. Beim Betreten des Hauses zog Seth Stiefel und Jacke aus. Er hörte, wie die Vordertür geöffnet wurde, und rannte in die Eingangshalle.
Kendra und Warren traten durch die Tür. Auf Kendras Wange war ein roter Abdruck – ein Beweis dafür, dass sie im Wagen gedöst hatte. Mit feuchten Augen rannte Seth auf sie zu und umarmte sie stürmisch.
»Donnerwetter«, sagte Kendra und erwiderte die Umarmung, verblüfft über die enthusiastische Begrüßung.
»Ich bin ja so froh, dass du noch lebst!«,
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