Die Zuflucht der Drachen - Roman
peinlich darauf bedacht, dass immer Büsche und Hecken zwischen ihm und den Wächtern waren. Mehrere Male musste er über freies Gelände robben, weshalb er nur sehr langsam vorankam, aber fürs Erste ging alles gut.
Der nervenaufreibendste Moment kam, als er keine fünf Meter vor einem Wachposten über unbewachsenen Boden kroch. Er hatte die vom vagen Dämmerlicht erhellte Bresche bereits halb hinter sich gebracht, als er mit dem Knie einen trockenen Zweig zerbrach.
Seth hielt inne, den Kopf gesenkt, die Muskeln starr vor Panik. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Zentaur vorwärtsstapfte, um der Sache auf den Grund zu gehen. Seths einzige Chance bestand darin, so still wie eine Statue zu verharren und zu hoffen, dass er weiterhin unsichtbar war. Der Zentaur blieb unmittelbar neben ihm stehen. Hätte Seth eine Hand ausgestreckt, er hätte seinen Vorderhuf berühren können. Seth konzentrierte sich darauf, leise zu atmen. Ob der Zentaur ihn riechen konnte? Seine Arme fingen an zu zittern, weil er so lange in derselben Position verharren musste.
Schließlich wandte der Zentaur sich um und begab sich zurück auf seinen Posten in den Schatten unter einer hohen Hecke.
Mit hämmerndem Herzen schlich Seth weiter, bis er endlich auf gleicher Höhe mit der Grube unter dem südlichsten Megalithen angelangt war. Der riesige Stein hatte den Eingang komplett freigegeben, doch um die Grube zu erreichen, musste Seth noch einmal eine ungeschützte Fläche überwinden.
Seth biss sich auf die Zunge. Unter allen Umständen musste er der Versuchung widerstehen, das freie Gelände möglichst schnell hinter sich zu bringen. Schließlich kroch er weiter, und die nächste Deckung war noch weit weg, als er näher kommende Hufschläge hörte. Ganz langsam drehte er den Kopf.
Mehrere Zentauren näherten sich von seiner Linken; sie trugen Fackeln und schoben riesige Schubkarren vor sich her, auf denen sich Futter türmte. Hinter Seth kam ein Zentaur, den er nicht bemerkt hatte, aus seinem Versteck. Der Zentaur rief etwas, das klang wie eine Abfolge von Ächzen, Gurgeln und Wiehern – viel mehr wie ein Pferd denn wie ein Mensch. Die näher kommenden Zentauren antworteten mit ähnlich eigenartigen Lauten und steuerten direkt auf den Eingang des Labyrinths zu.
Als der Zentaur hinter Seth plötzlich losgaloppierte, um seine Kameraden zu begrüßen, erkannte Seth, dass dies wahrscheinlich der einzige Moment der Ablenkung war, bevor sie ihn erreichen würden. Also stand er auf, sprintete in geduckter Haltung zur Grube und sprang blind hinein.
Glücklicherweise waren die Wände der Grube nicht besonders steil, und Seth rollte unverletzt bis zum Boden hinunter. Einmal mehr erleichtert, dass keine Alarmrufe ertönten, rappelte er sich hoch. Auf der einen Seite der Grube sah er einen bogenförmigen Durchgang. Er hatte keine Tür, und Seth flitzte hindurch.
Der Boden unter seinen Füßen wurde fest und glatt. Der lange Tunnel neigte sich stetig nach unten und führte tief in den Hügel hinein. Um nicht versehentlich gegen eine Wand zu stoßen, knipste Seth die Taschenlampe an und deckte sie mit der Hand ab, damit das Licht nicht zu hell war. Es dauerte nicht lange, da sah er vor sich ein bläuliches Leuchten und machte die Taschenlampe wieder aus. Die letzten Meter des Tunnels rannte er und gelangte in einen gewaltigen höhlenartigen Raum. Schwere, eiserne Kronleuchter hingen von der hohen Kuppeldecke und warfen ein diffuses Licht. Hohe Barrieren aus dunklem Eisen reichten bis halb zur Decke hinauf und versperrten den Weg bis auf fünf Öffnungen. Seth konnte nicht sagen, ob die Eisenwände für andere unsichtbar waren oder nicht. Auf ihn wirkten sie jedenfalls sehr massiv.
Hufe klapperten durch den Tunnel, und Seth schlüpfte durch eine der Öffnungen in das Labyrinth, um einen Sichtschutz zwischen sich und die Zentauren zu bringen. Wenn er vorsichtig war und den Zentauren in einiger Entfernung folgte, konnte er womöglich ohne viel Herumprobieren durch das Labyrinth gelangen. Er verlagerte sein Gewicht auf die Fußballen und duckte sich ganz leicht, jederzeit bereit loszurennen, falls er zufällig die richtige Öffnung gewählt hatte und die Zentauren gleich denselben Weg entlangkamen.
Als sein Blick auf den Boden fiel, bemerkte er, dass die Eisenwände keinen Schatten warfen. Das sanfte Licht der Kronleuchter verteilte sich vollkommen ungehindert und gleichmäßig in der Höhle. Und in diesem Moment begriff er sein Problem: Wenn die Wände
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