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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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versucht hatte, mir die Eingeweide aus dem Leib zu reißen. Glücklicherweise war das Monster allein, und Bleich kämpfte, wie ich es noch nie bei ihm gesehen hatte– ohne seine übliche Eleganz bewegte er sich ruckartig und abgehackt wie die Aufziehpuppen, die sie in Erlösung auf dem Marktplatz verkauften. Seelenlos wirbelten die Messer, effektiv und mit tödlicher Präzision, bis der Freak zusammenbrach.
    Â» Wir können hier nicht bleiben«, fauchte Pirscher wütend. Wenn er sein Knie weiter belastete, würde er es endgültig ruinieren, aber uns blieb keine andere Wahl. Der tote Freak würde bald noch mehr von seinen Artgenossen anziehen.
    Bleich, der noch keine Minute geschlafen hatte, schulterte ohne ein einziges Wort des Protestes Miles’ Beutel, gab mir meine Messer zurück und verschwand in der Dunkelheit.
    Es ist, als wäre nur sein Körper hier und seine Seele woanders.
    Erschöpft hob ich meine Sachen auf und folgte ihm. Bleich konnte nicht so gut im Dunkeln sehen wie ich, aber ich wusste ungefähr, wo der Vorposten liegen musste, und würde aufpassen, dass er uns nicht in die falsche Richtung führte.
    Wir marschierten die ganze Nacht durch. Als es dämmerte, musste Pirscher sich auf meiner Schulter abstützen. Mit dem Stock allein hätte er keinen einzigen Schritt mehr weitergekonnt. Trotzdem klagte er nicht, genauso wenig wie Bleich, und ihr Schweigen trieb mich in den Wahnsinn. Ich war diese bleierne Stille nicht gewohnt. Es war, als hätte sich in dieser einen Nacht alles für immer verändert, und ich begriff weder weshalb, noch in welche Richtung das alles führen würde.
    Dem Sonnenstand nach war die Mittagszeit bereits vorüber, als der Vorposten in Sicht kam. Die Wache auf dem Turm gab einen Schuss in die Luft ab, um unsere Ankunft anzukündigen. Kurz darauf kamen sie uns den Hügel herunter entgegen. Als Draufgänger Pirschers Zustand sah, befahl er seinen Leuten, ihn zu tragen. Die Tatsache, dass er nicht einmal protestierte, sprach Bände. Bleich folgte ihnen und lehnte jede Hilfe mit einem Kopfschütteln ab.
    Bei Tageslicht konnte ich Bleichs Anblick kaum ertragen. Er musste unfassbar gelitten haben, und dennoch hielt er sich aufrecht, die Schultern gestrafft, den Blick irgendwo in die Ferne gerichtet. Doch bevor ich mich um ihn kümmern konnte, musste ich zuerst mit Draufgänger sprechen.
    Â» Ihr habt es tatsächlich geschafft«, sagte der Kommandant mit einem Kopfschütteln. » Was ist da draußen passiert?«
    Â» Das kann ich dir sagen«, erwiderte Bleich tonlos. » Aber erst, wenn wir allein sind.«
    So allein man in diesem Lager sein konnte. Hier gab es keine Mauern, hinter die man sich zurückziehen konnte– außer denen um das eigene Herz.
    Â» Wo sind die anderen?«, fragte Draufgänger.
    Â» Ellis haben die Freaks erwischt«, antwortete ich. » Und Miles habe ich in Notwehr getötet.«
    Er seufzte. » Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich überrascht bin. Aber er war schon immer ein Halunke. Hast du etwas dagegen, wenn ich seiner Familie sage, er wäre im Kampf gefallen? Die Leute könnten es dir übel nehmen, wenn sie die Wahrheit erfahren.«
    Â» Schon in Ordnung.« Ich warf Bleich einen kurzen Blick zu und fragte mich, was mit Frank passiert war. In der Kolonie hatte ich keine Spur von ihm entdecken können. » Aber… ich habe noch mehr schlechte Neuigkeiten.«
    Draufgänger strich sich über den Bart. » Wann war das jemals anders, Mädchen? Gehen wir nach drinnen, ihr erzählt mir, was ihr zu sagen habt, und dann kümmern wir uns um Bleichs Verletzungen.«
    Es war das erste Mal, dass Draufgänger mich in sein Zelt bat. Bis auf einen kleinen Stuhl und ein paar zusätzliche Decken sah es genauso aus wie alle anderen. Ich missgönnte ihm das bisschen Sonderausstattung nicht. Immerhin war er schon alt. Bleich ließ sich auf den Boden sinken. Seine Augen waren leer wie die eines Geistes.
    Ich setzte mich neben ihn und überließ Draufgänger den Stuhl. Wahrscheinlich brauchte er ihn, damit er leichter wieder aufstehen konnte.
    Â» Was ist passiert, Junge?«
    Â» Sie haben uns entführt. Frank und mich. Ich glaube, zum Teil, um zu beweisen, dass sie es können. Um euch Angst zu machen.«
    Er vermied jeden Blickkontakt, vor allem mit mir. Vielleicht weil ich den Pferch gesehen hatte, in

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