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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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Spurenleserin.
    Â» Es war das Schlimmste, was ich jemals tun musste.« Seine eisblauen Augen schimmerten wie Mondlicht auf einer Wasserfläche.
    Â» Das Spurenlesen?«
    Â» Nein. Dich ohne mich in die Freak-Kolonie gehen zu lassen…«
    Ich hätte ihn bitten sollen zu gehen. Er hatte nach mir gesehen, und wir hatten kurz miteinander gesprochen, aber wir sollten nicht hier zusammensitzen, während Bleich allein und gebrochen in seinem Zelt lag. Doch auch ich hatte Wunden davongetragen, und als Pirscher mir einen Arm um die Schulter legte, wehrte ich mich nicht.

ERNTE
    Am folgenden Tag schickte Draufgänger Bleich und Pirscher zurück nach Erlösung.
    Bleich schaute mich nicht an, und er bewegte sich, als hätte er Bleikugeln an den Füßen. Seine Kälte traf mich wie ein Messer zwischen den Rippen. Er hatte so viel gelitten; vielleicht konnte er meine Berührung wieder ertragen, wenn seine Wunden verheilt waren, und alles würde wieder in Ordnung kommen. Aber ich glaubte selbst nicht daran. Es gab Wunden, die niemals verheilten, die immer weiterbluteten, bis man den Verstand verlor oder an ihnen starb.
    Pirscher blieb stehen. » Bis bald«, flüsterte er mir ins Ohr und beugte sich herab, aber ich drehte das Gesicht weg, sodass seine Lippen nur meine Wange streiften.
    Der Stich, den ihm meine Zurückweisung versetzte, flackerte nur kurz in seinem Gesicht auf. Er nickte knapp, um mir zu zeigen, dass er verstanden hatte: Nichts hatte sich zwischen uns verändert, trotz allem, was er für mich getan hatte. Es war furchtbar. Nichts würde wieder in Ordnung kommen. Beide waren todunglücklich, und ich wollte nicht, dass sie gingen, obwohl es das einzig Richtige war. Sie waren zu schwer verletzt, um zu kämpfen, und es war besser, wenn sie sich in Sicherheit brachten, bevor es zu spät war. Doch ohne sie fühlte ich mich noch einsamer.
    Die Anspannung unter den anderen Wachen wurde immer größer. Sie hatten Gerüchte darüber gehört, warum die Ernte in aller Eile eingebracht werden sollte. Allein oder in Zweiergruppen kamen sie zu mir und versuchten, mir etwas zu entlocken. Halb krank vor Sorge und mit den Gedanken mit wichtigeren Dingen beschäftigt, fiel es mir nicht schwer, sie loszuwerden. Ich spielte einfach mit meinem Messer, ließ es auf meiner Handfläche wirbeln wie einen Kreisel. Es war ein einfacher Trick, den ich schon als Balg gelernt hatte, aber erstaunlich effektiv. Für erwachsene Männer ließen sie sich verdammt leicht von einem Mädchen einschüchtern. Vielleicht war es aber auch mein finsterer Blick, der sie gleich wieder das Weite suchen ließ.
    Ich konnte sie verstehen. Auch ich wünschte mich an einen anderen Ort.
    Eine Eskorte kam aus der Stadt und brachte die Pflanzer und ihre Wagen zu den Feldern. Die Wagen waren leer, damit sie die Ernte nach Erlösung transportieren konnten. Wir brauchten jede verfügbare Arbeitskraft, um es so schnell wie möglich hinter uns zu bringen. Diesmal konnten wir nicht nur danebenstehen und Wache halten. Mir gaben sie eine Sichel, mit der ich das Getreide schneiden sollte. Ich wog sie in der Hand und überlegte, ob sie wohl als Waffe zu gebrauchen war.
    Hoffentlich kommt es erst gar nicht so weit .
    Ich sah Tegan, die auf dem Feld arbeitete, so schnell sie konnte. Sie sah so schön und rein aus mit ihrem gelben Kleid und dem dunklen Haar, das in der Sonne schimmerte. Ich erkannte sie kaum wieder. Keine Spur mehr von dem dünnen, verängstigten Mädchen, das sie in den Ruinen gewesen war. Sie war das blühende Leben selbst. Mit traurigem Blick ging ich zu ihr, und sie wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, aber der Vorarbeiter rief uns zu, wir sollten das Quasseln bleiben lassen, und wir machten uns an die Arbeit.
    Wir schufteten, und Tegan sprach nicht ein einziges Wort. Sie wusste, wie wichtig unsere Aufgabe war. Wenn wir versagten, würde die ganze Stadt hungern. Immer wieder schaute ich zum Horizont in der Befürchtung, dort die heranstürmenden Freak-Horden zu sehen. Ich aß nichts, trank nur ab und zu einen Schluck Wasser und schnitt und schnitt und schnitt, während jemand hinter mir die gefallenen Ähren aufsammelte und auf einen Wagen lud. Auf den anderen Feldern gruben sie Kartoffeln aus, ernteten Mais und was sie sonst noch angepflanzt hatten. Ich kannte nicht einmal alle Namen, sondern spürte nur umso mehr, wie sehr die Zeit

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