Die Zuflucht
Probleme bereiten.«
Ich nickte. » Wahrscheinlich hast du recht. Das Beste wäre, wenn Draufgänger ihn ersetzt, aber das könnten die anderen Wachen als Aufforderung verstehen. Sie brauchen sich nur gemein mir gegenüber zu verhalten, und schon werden sie nach Hause geschickt.«
Er berührte meinen Oberschenkel, als wollte er Milesâ schmierigen Handabdruck abwischen, zog seine Finger aber schnell wieder weg, damit die anderen nichts merkten und sich neue Beschuldigungen ausdachten.
Die Geste machte mir nichts aus. Bleich hatte das Recht, mich zu berühren.
» Irgendeine Idee, wie wir ihm das austreiben können?«
Ich hatte sogar sehr viele, eine unangenehmer als die andere. » Kann sein, dass ich ihn töten muss.«
Bleich lächelte. » Ein bisschen weniger drastisch vielleicht?«
» Töten wäre mir am liebsten.«
» Mir auch, aber das könnte sich schlecht auf die Moral auswirken.« Er dachte eine Weile nach und warf mir einen verstohlenen Blick zu. » Wir könnten ihn in das Freak-Dorf bringen. Als Geschenk sozusagen.«
» Klingt verlockend. Was hast du vorhin mit Pirscher besprochen?«
Bleich zuckte zusammen und starrte verlegen auf seinen Teller. » Du hast es mitbekommen?«
» Das ganze Lager hat es mitbekommen.« Ich stieà ihm sanft mit dem Ellbogen in die Rippen. » Komm schon, erzählâs mir.«
» Ich hab ihm gesagt, er soll aufhören, dich anzustarren wie ein ausgehungerter Wolf. So ungefähr.«
» Das alleinige Recht, mich zu küssen, genügt dir also nicht. Was spielt es schon für eine Rolle, wie er mich ansieht?«
Ein blasses Rot breitete sich über Bleichs kantige Wangenknochen aus, und ich musste mich zurückhalten, ihm nicht diese wunderbaren dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen.
» Wenn du mich so fragstâ¦Â«, sagte er und beugte sich ganz dicht an mein Ohr. » Ich will endlich wieder mit dir allein sein.«
Seine Worte entzündeten sofort ein Feuer in mir, und um ein Haar hätte ich mir an die Lippen gefasst, um die Erinnerung an unsere letzten gemeinsamen Stunden wachzurufen. Ich wünschte mir, wir hätten die vergangene Nacht besser genutzt, aber Pirscher war die ganze Zeit über dabei gewesen, und ich wollte es nicht noch schlimmer für ihn machen, als es ohnehin schon war. Nur weil ich ihn zurückgewiesen hatte, musste ich nicht auch noch Salz in seine Wunden reiben.
Mir wurde so heiÃ, als könnte ich den Wachturm mit einer bloÃen Berührung in Brand stecken. » Nächste Woche sind wir in Erlösung. Dort können wir tun, was immer wir wollen.«
Sein Blick sagte mir, dass er es kaum erwarten konnte.
ERHOLUNG
Die nächste Woche verging vergleichsweise ruhig, aber Gary Milesâ Feindseligkeit war deutlich zu spüren. Er und seine verbitterten Kumpane beobachteten mich die ganze Zeit. Sie überschritten nie eine Grenze, weshalb ich mich bei Draufgänger nicht über ihr Verhalten beschweren konnte, aber sie lieÃen keinen Zweifel daran, dass sie mich hassten. Idiotisch. Erlösung hatte auch so schon genug Probleme, da brauchten wir nicht noch unnötigen Ãrger wie diesen. Immer wieder tastete ich nach meiner Karte, um mich zu vergewissern, dass sie noch da war. Solange ich sie hatte, konnte mir nichts passieren, hatte es in der Enklave immer geheiÃen. Leider war ich nicht mehr sicher, wie viel ich von dem, was ich dort gelernt hatte, noch glauben sollte.
Unser Namenszeichen war wie ein Zauber. Die Balgpfleger sagten, sie wären ein Teil unserer Seeleâ eine verwirrende Vorstellung, denn sie bedeutete, dass Pirscher und alle, die kein solches Zeichen hatten, entweder seelen- oder schutzlos waren. Oder beides. Aber vielleicht war das auch nur eine Legende, die der Worthüter sich ausgedacht hatte.
Die ersten Zweiergruppen waren ohne Zwischenfälle von ihrem Erholungsaufenthalt zurückgekehrt, und jetzt waren wir an der Reihe. Unser Trupp beschloss, Bleich und mich als Erste gehen zu lassen. Es schien beinahe zu schön, um wahr zu sein, und wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre, hätte ich mich dafür geschämt, denn Frank und Hobbs zogen uns ständig auf. Ich fand es klug von Draufgänger, zuerst die Reihenfolge der Trupps auszulosen und die weitere Entscheidung dann uns zu überlassen. So gab er uns das Gefühl, wenigstens ein bisschen Kontrolle über
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