Die Zukunft des Mars (German Edition)
dem richtigen Namen anzureden. Beiläufig markierte sie damit auch das Altersverhältnis der Brüder, während uns anderen ihre Hässlichkeit, vor allem die schaurige Klobigkeit ihrer Schädel und vielleicht auch die Gleichheit der Käppchen, die sie als Einzige trugen, stets dazu verleitete, die beiden, wenn überhaupt, als Zweiheit anzusprechen und keinen Unterschied nach Lebensjahren zu machen.
Lesend habe ich nach und nach gelernt, wie selbstverständlich sich bei Euch Männer und Frauen zu mehr oder minder dauerhaften Paaren zusammenfinden. Ich gestehe, die irdischen Ziele oder Zwecke, die zweifellos damit zusammenhängen, bleiben mir bislang dunkel. Also flüchte ich mich in den Vergleich. Manche unserer Arbeitsgruppen sind so klein, dass sie durch Unfall oder Krankheit für eine Weile auf weniger als drei Mitglieder schrumpfen. Und bei uns Nothelfern ist es sogar die Regel, dass man sich zu zweit auf den Weg macht. So rührt mein Zutrauen in Toctoc gewiss auch daher, dass uns Smosmos Entscheidung oder der Zufall der jeweiligen Erfordernisse ungewöhnlich häufig zusammenspannten. Bevor Mirmir in das Amt der Barmherzigen Schwester hinein verschwand, war es mit ihr in gewisser Weise ähnlich gewesen. Ja, am liebsten schriebe ich jetzt, dass es mir damals in den ersten Jahren gleich lieb und recht war, mit Mirmir oder mit Toctoc zu einem Verletzten oder Kranken aufzubrechen. Aber ich merke wohl, wie feucht meine Hand über den letzten Zeilen geworden ist, und dass mich allein schon dieser kleine leibliche Umstand der Unehrlichkeit überführen könnte.
Ich habe die Niederschrift unterbrochen, um den Handteller an meinem Kittel zu trocknen. Er schwitzte zu stark, mein Schreibutensil war mir zu weit in die Mulde zwischen Daumen und Zeigefinger hinaufgerutscht, und prompt ist eine ganze Reihe von Wörtern weniger säuberlich geraten,als es die Würde des Schreibuntergrunds gebietet. Mirmir und ich waren gleich groß. Als mich die Barmherzige Schwester, in deren Üppigkeit sie eingegangen ist, vor ein paar Tagen ins Gebet nahm, musste ich, widerstrebend und doch sehnsüchtig, daran denken, wie unsere Schultern früher auf gleicher Höhe aneinanderrührten. In unserer gemeinsamen Nothelferzeit verdross es Mirmir, dass ich mich, wenn es auf pure Kraft ankam, deutlich stärker als sie erwies. Einmal waren wir an die Eisquelle hinuntergeschickt worden, um einem verunglückten Allesmacher beizustehen. Unmittelbar vor den schwarzen Lavarippen, aus denen damals noch das Eiswasser troff, hatte es ihn hingeworfen, und auch mit Hilfe seiner Kollegen kam er nicht mehr auf die Beine.
Der Eisquell ist im vorletzten Jahr versiegt, und leider haben unsere Mockmock-Beobachter, denen auch die Wasserfindung obliegt, bis jetzt keine andere derart ergiebige Stelle entdecken können. Damals sickerte es noch herrlich stetig aus den feinen Poren des schwarzen Vulkangesteins, so kalt wie nirgendwo sonst. Auch die weitere Aufbereitung war wunderbar einfach. Es genügte, das Wasser ein paar Tage in Behältern stehen zu lassen. Dann setzte sich an seiner Oberfläche eine hauchdünne, zunächst schleimige, dann geleeartige Schicht ab, die zügig noch fester wurde und zuletzt als eine wabbelige Scheibe herausgehoben werden konnte. Das Wasser darunter war ohne jeden Geschmack. Noch heute beginnt mein Hals in unwillkürlicher Nachlust, in Erinnerung an den einstigen Trinkgenuss, zu schlucken, wenn ich an die unglaubliche Reinheit des Eiswassers denke.
Der verunglückte Mann hatte sich an einem vollen Eimer verhoben. Er saß auf dem Boden, den Rücken an einem Felsbrocken, und beteuerte, dass ihn bereits der Gedanke, aufzustehen, erneut den glühenden Schmerz fühlen lasse, der ihm in Lendenhöhe von der Wirbelsäule aus ins linke Bein gefahren sei. Mirmir und ich lasen aus seinembleichen Gesicht die Sorge, nie mehr arbeiten zu können, ja die Angst, vor der Zeit den Weg aller Nichtsnutze gehen zu müssen. Wir beruhigten ihn mit den üblichen Formeln, halfen ihm dann gemeinsam auf in einen unsicheren Stand. Nun galt es, sein Rückgrat und seine Muskeln auf die bekannte Weise wieder in das rechte Verhältnis zu rücken. Der Allesmacher war ein recht großer, grobknochiger Kerl, der dazu an Bauch und Hüften eine sichtbare Schicht Altersspeck angesetzt hatte. Mirmir, die ein besonderes Talent für das Einrenken besaß, stellte sich breitbeinig in Position und wartete darauf, dass ich ihr den Burschen auf den Rücken legte. Aber kaum lag sein
Weitere Kostenlose Bücher