Die Zukunft des Mars (German Edition)
zuvor beim Aufräumen unter allerlei halb- und vollelektronischem Haushaltskram entdeckt und der Versuchung nicht widerstehen können, es in Betrieb zu nehmen. Sein Nachbar habe ihn mit den nötigen Zutaten versorgt, und von einer der Töchter des Libanesen sei ihm beim Anrühren des Teigs beigestanden worden. Das Gerät habe sich dann, so wie es auf der Innenseite des Deckels Schritt für Schritt abgebildet sei, problemlos in Gang bringen lassen. Hier, auf diesem kleinen, etwas lichtschwachen grünen Display, werde sogar der Stand des Backvorgangs in einem nicht ganz korrekten, aber einst weltweit verständlich gewesenen Amerikanisch mitgeteilt. Es handle sich übrigens um den ersten selbstgefertigtenKuchen seines Lebens. Sehe er nicht prächtig aus!
Der Kuchen schmeckte sogar, allenfalls hatten Spirthoffer und seine Backberaterin eine Spur zu viel Zimt in den Teig gegeben. Aber Elussa, die selbst sehr gut, aber nach inzwischen sieben Jahren mütterlicher Herdfron lange nicht mehr so gern wie früher buk und kochte, wollte nicht kleinlich sein. Der Unterricht nahm einen erfreulichen Verlauf. Der alte Mann wirkte frischer als am Vortag, war mit glänzenden Augen bei der Sache und musste, anders als gestern, selbst in der zweiten Stunde kein einziges Mal mit dem Gähnen kämpfen. Auch Elussa, die nicht gut geschlafen hatte, fühlte sich nach und nach angenehm beschwingt. Sogar der Traum, aus dem sie heute Nacht hochgeschreckt war und der ein langes Grübeln und Herumwälzen nach sich gezogen hatte, kam ihr nun, während Spirthoffer aus der Schnellkochtopf-Broschüre vortrug, gar nicht mehr so schrecklich vor. Lag es am Tee des Alten? Elussa nahm sich ein zweites Stück Kuchen, und ihr Schüler stand auf, um nach dem Petroleum-Öfchen zu sehen. Elussa war das auf kupfernen Dackelfüßchen ruhende, rundum üppig mit orientalischen Messingornamenten verzierte Modell schon gestern aufgefallen. Obwohl der Ofen gerade mal kniehoch war, schien er den ganzen Laden mit Wärme zu erfüllen. Spirthoffer spürte ihren Blick und fragte, wie sie denn das Heizen und Kochen bewerkstellige.
Elussa hatte die kleine Wohnung im Herbst des vorigen Jahres von ihrem älteren Bruder übernommen, dem es gelungen war, einen Platz auf einem Schiff Richtung Nordamerika zu ergattern. Auf welchem Wege er dies genau geschafft hatte, war in seinem letzten Brief nach Novonovosibirsk nur angedeutet worden. Bevor er Richtung Nordsee abreise, sei noch eine Arbeit für Don Dorokin zu erledigen. Wahrscheinlich war er just während der herbstlich kühlenMorgenstunden, in denen Alide und sie die Stadt Germania erreicht hatten, an Bord gegangen.
Bei ihrem Einzug hatte der Gasdruck im Haus ausgereicht, um auf nervös zuckenden Flämmchen Wasser zum Kochen und Fett zum Brutzeln zu bringen. Aber schon an Heiligabend, nach dem großen Attentat, nach der Explosion, die bis in ihre Straße zu hören gewesen war, roch es nur noch erdig, fast faulig aus den Düsen. Danach musste sie sich mit dem türkischen Petroleum-Öfchen behelfen, das die Küche halbwegs warm hielt und auf dessen kleiner Platte sich zumindest Suppen und Eintöpfe zubereiten ließen. Im Frühjahr hatte der Priester der Gemeinde ihr dann einen alten Handwerker vermittelt, der sich darauf verstand, die Kamine der Altbauten wieder für das Verbrennen von Kohle und Holz gängig zu machen, und Elussa hatte sich während des Sommers auf dem Markt Für Alles einen gusseisernen Allesbrenner besorgt. Die ukrainische Steinkohle, die auf dem Wasserweg in die Stadt kam, war für Elussa unerschwinglich, Altholz jedoch kostete nicht die Welt. Die Jugendlichen der verschiedenen, nach Volksgruppen und Sippen organisierten Banden waren fleißig dabei, die leerstehenden Häuser des Viertels auszuweiden. Nach und nach hatte Elussa den günstig langen Flur rechts und links bis an die Decke mit bereits ofengerecht gespaltenen Scheiten vollgestapelt.
Alide liebte das Holz. Nun, wo es zügig weniger wurde, studierte ihr Töchterchen die Stücke, die zum anstehenden Verfeuern bereits beim Ofen lagen, mit besonderer Neugier, ja Anteilnahme. Stets wollte sie wissen, woher sie wohl stammten. Manchmal ließ sich an Form, Furnier oder Lackierung ablesen, dass ein Treppengeländer, ein Kleiderschrank oder Dielen zu Brennholz verhackstückt worden waren. Wenn die augenfälligen Indizien nicht ausreichten, begannen Mutter und Tochter zu spekulieren und ließen ihremVermuten freien Lauf. So waren in den zurückliegenden drei
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