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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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Heizmonaten nicht nur die zerkleinerten Frisierkommoden von Prinzessinnen, sondern auch die Schatztruhen von Piraten und die von großen Krallen zerkratzten Bodenbretter von Löwen- und Tigerkäfigen den Weg in die häuslichen Flammen gegangen.
    Auch heute Nacht hatte Elussa vom Feuer geträumt. Allerdings war es, darin hatte eine besondere Unheimlichkeit gelegen, ein unsichtbares Feuer gewesen. «Erdfeuer!», hatte sie sich selbst, schreckhaft erwachend, auf Deutsch murmeln hören, und schon mit dem nächsten Atemzug war die Frage in ihrem Kopf gewesen, ob es dieses Wort, diese seltsame, geologisch anmutende Zusammenbildung im gegenwärtigen Deutschen überhaupt gebe. Auch jetzt hätte sie dies noch gern gewusst. Leider war es aus Rücksicht auf ihre erst halbwegs gefestigte Rolle als Lehrerin nicht möglich, einfach den alten Herrn Spirthoffer danach zu fragen.
    Wie tief ihr Erdfeuer in der geträumten Erde verborgen gewesen war, konnte sie, ihren Schüler und dessen Ofen im Blick, also weiterhin nur vermuten. Jener Traumboden, auf dem sie sich in merkwürdigen Schuhen, in absatzlosen, gummiartigen Galoschen der fraglichen Stelle genähert hatte, war roter, sehr fester Sand gewesen, wie sie ihn in ihrem Wachleben, so weit sie sich entsann, nirgendwo gesehen hatte. Dieser Untergrund war heiß, sie spürte die Wärme durch die Sohlen der Schuhe dringen. Der Rauch, der das im roten Grund verborgene Feuer verriet, stieg aus einem breiten Spalt, und seine dichten Schwaden waren so stechend violett, dass das Nebeneinander der beiden starken Farben, deren schiere Unverträglichkeit und die zugleich zwingende Richtigkeit dieser Unvereinbarkeit zu einem einzigen Grauen zusammenklangen. Elussa wollte in die rauchende Öffnung hinabsehen, ihr Mut schien ihr träumend gerade hierzu noch groß genug. Aber dann musste sie, traumscharfin sich hineinfühlend, begreifen, dass ihre Kraft bloß für einen einzigen weiteren, zu kurzen Schritt ausreichte und darüber hinaus dazu, sich erwachend an die Farbenpracht des fremden Orts, an sein Rot wie an sein purpurnes Violett zu erinnern.
     
    Wenn Don Dorokin rief, hieß es sich sputen. Spirthoffer hatte sich eben auf sein Kanapee gelegt, um dem Unterricht und dem ausklingenden biochemischen Aufruhr ein Mittagsnickerchen folgen zu lassen, als sein Don-Phon tutete. Er hatte es so programmiert, dass er die wenigen wichtigen Anrufer an der Tonfolge erkannte. Der Don war selbst im Bild. Er trug sein fliederfarbenes Fallschirmjäger-Barett und sprach Spirthoffer, der eine mittlere, also angemessen höfliche Distanz zur Videolinse wählte, auf Russisch an, was bedeutete, dass die Angelegenheit dringend war. Das Bild hinkte dem Ton eine gute halbe Sekunde hinterher, dazu knackte und knisterte es erbärmlich. Aber Spirthoffer verstand, dass man ihn sogleich in der Kirche erwarte, er solle sein Werkzeug mitbringen. Ehe er mit dem gebotenen «Jawohl, Sir!» antworten konnte, erstarrte das Porträt des Don zu einem bläulich verfärbten Standbild, und die Audioübertragung erlosch in einem komischen Zischen. Er versuchte zurückzurufen, aber es kam keine Verbindung mehr zustande.
    Als er vor den Laden trat, wartete schon einer der verbeulten Geländewagen mit dunkelgrün getönten Scheiben, die der Volksmund Don-Car nannte, am gegenüberliegenden Gehsteig. Einer von Dorokins Männern eilte ihm über die Straße entgegen, um ihm die schweren Taschen mit dem Fernmeldekram abzunehmen. Vor dem imposanten, im Holz- und Kohlesmog der letzten Jahrzehnte fast schwarz gewordenen Klotz der Dreifaltigkeitskirche waren die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt worden. Vorbei an Bittstellern, denenMetalldetektoren unter die Achseln und zwischen die gespreizten Beine geführt wurden, rollte der Wagen durch einen neuen, fast hundert Meter nach vorne verlegten Kontrollpunkt, dann durch die vormalige erste Schleuse, deren Fahrzeugdurchleuchtungsanlage erst unlängst mit Spirthoffers Hilfe repariert worden war. Vor den Stufen, die zum Hauptportal des dunklen Gotteshauses führten, wartete bereits Juri, der Cheftechniker des Don. Spirthoffer folgte ihm zum Eingang des Glockenturms, auf dem die Sende- und Empfangsanlagen angebracht waren.
    Wie immer, wenn die Umstände ihn zwangen, mit Spirthoffer zu kooperieren, gab sich Juri wortkarg, ja unhöflich mürrisch. Zügig stapfte er die Wendeltreppe hinauf, und Spirthoffer versuchte gar nicht erst, mit dem kaum halb so alten Mann Schritt zu halten. Endlich oben angekommen,

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