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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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stützte er die Unterarme auf die steinerne Balustrade, fühlte, ja glaubte sogar hören zu müssen, mit welch panischem Ingrimm sein Herz gegen die Wandung seiner Brust klöppelte, aber dann genoss er die Aussicht über das Viertel, freute sich an den weißbetuchten Dächern und an den feinen Grau- und Gelbtönen des Qualms, den die Kamine zu den Schneewolken hinaufsandten.
    Juri beschrieb ihm die Störung, deren Phänomene sich merkwürdigerweise nicht nur auf den Don-Mobil-Empfang, sondern auch auf einen Teil des Don-Phon-Drahtnetzes erstreckten, und zählte auf, was er und seine Leute unternommen hatten, um die Ursache ausfindig zu machen. Spirthoffer nickte, gab sich Mühe, die eine oder andere vergrübelte Grimasse zu schneiden, und lobte die Stringenz des bisherigen Vorgehens. Und als ihm Juri, von der erfolgreich vorgetäuschten Ratlosigkeit freundlicher gestimmt, eine seiner chinesischen Zigaretten anbot, nahm Spirthoffer sie, lehnte sich erneut an die Brüstung und stellte, das garstige Kraut mehr paffend denn wirklich rauchend, noch einigeweitere Fragen, denen Juri ihre Überflüssigkeit hoffentlich nicht anmerken würde.
    Juri war ein guter Mann. Er hatte in der Armee eine solide Rundumausbildung in sämtlichen einst gebräuchlichen Fernmeldetechniken erhalten und war auch danach als freibeuternder Elektroniker nicht lernfaul gewesen. Der Don war von einem kasachischen Kaufmann, einem kleinen König des Batterie-Fernhandels, auf Juri aufmerksam gemacht worden und hatte ihn in feste Anstellung genommen. Das Mobilfunknetz des Don, eindeutig das stabilste der Stadt, war Juris Werk. Wenn nicht gerade ein Sendemast von einem Zwei-Mann-Kommando der Kleinköpfe gesprengt worden war, reichte die Feldstärke weit in die Territorien des Alten Ogo und des Weißen Khan, bei günstigem Wetter sogar mehrere Kilometer tief ins südliche Umland. Auch das Dreifaltigkeitsradio, das man über das Stromnetz in mehr als drei Dutzend Straßen eine volle Stunde am Tag empfangen konnte, hatten Juri und sein kleines Team zum Laufen gebracht. Nun kam es darauf an, ihn nicht durch eine allzu flotte Problemlösung zu kränken. Spirthoffer beschloss, den manchmal ein wenig phantasiearmen Praktiker selbst auf die Ursache der Störung kommen zu lassen, und schlug vor, sich bei einem heißen Tee in der Kellerkantine der Kirche zusammenzusetzen. Bis jetzt habe er nicht die geringste Idee, wo der Fehler liege, am besten, man spreche das Ganze mit Muße und warmen Füßen noch einmal logisch, also Schritt für Schritt, durch.
    Nachdem sie dann zum zweiten Mal oben bei den Antennen gewesen waren und der vereiste Verstärker der Einfachheit halber komplett ersetzt und das Gehäuse des Austauschteils penibel gegen Feuchtigkeit isoliert worden war, brauchten sie und die beiden Techniker im Rechnerraum keine Stunde, bis Ton und Bild wieder synchron durch die Leitungen und den Äther strömten. Danach wurde Spirthofferwider Erwarten nicht mehr zu Dorokin hineingerufen. Wahrscheinlich musste eine Menge Liegengebliebenes erledigt, eine Vielzahl ins Stocken geratener Geschäfte erneut in Gang gebracht werden. Einer von Juris Leuten rannte dem Don-Car, das Spirthoffer heimbringen sollte, noch an die Sperre nach und reichte ein Kuvert durch das Fenster. Dorokin war nie kleinlich gewesen, und Spirthoffer kam, während sein Daumen die Oberkanten der Geldscheine fächerartig auseinanderschob, eine Idee. Er bat den Fahrer, ihn bei «Wasser & Warm!», bei Christopher Chang, dem verlässlichsten Brennstoff- und Reinwasserhändler des Viertels abzusetzen.
    Spirthoffer schätzte Changs Geschäft, allein schon weil nur dort das auch anderswo erhältliche Premium Petro stets absolut geruchsneutral war. Chang hasste Panscherei, auch sein Reinwasser war über jeden Verdacht erhaben. Ab zwanzig Liter lieferte er das Petroleum zudem frei Haus. Der schwere Rolladen vor dem Schaufenster war heruntergelassen, vermutlich aus Gründen der Wärmedämmung. Auch wenn der Schneefall ein wenig nachgelassen hatte, der Frost hielt an, und die Viertelchinesen der dritten Generation waren noch sparsamer als ihre Eltern und Großeltern. Über der Tür blinkte die orange Leuchtschrift «Wasser & Warm!», die Spirthoffer vor Jahren, als der Laden von Chang übernommen worden war und die Stromversorgung völlig darniederlag, eigenhändig an eine LK W-Batterie angeschlossen hatte. Das Drahtnetz, das sie vor Stein- oder vor den nun möglichen Schneeballwürfen schützte, war

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