Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
den Wagen wieder klar. Bist du wirklich nicht sauer?“
„Um Gottes Willen, nein.“
„Das ist gut“, sagte Marie und wischte sich
verstohlen das Wasser aus den Augen. Dann fiel ihr noch etwas ein. „Aber deine
Exfreundin wird sauer sein.“
„Nein. Nadine ist der gutmütigste Mensch, den
du dir vorstellen kannst.“
„Und warum seid ihr dann nicht mehr zusammen?“,
fragte Marie und hätte sich gleich danach am liebsten auf die Zunge gebissen.
Was gingen sie seine Frauengeschichten? Nichts.
„Aus dem gleichen Grund: Weil sie der
gutmütigste Mensch ist, den du dir vorstellen kannst“, sagte er, lehnte sich
vor, stellte den Becher in die Halterung zurück, lehnte sich zurück, fläzte
sich in die Rückenlehne, beugte sich wieder nach vorn und sah aus dem Fenster …
„Wir passen einfach nicht zusammen“, sagte er
dann. „Sie ist total ordentlich, und ich bin gelinde gesagt etwas
unorganisiert. Aber das weißt du ja bereits. Du musst dich ja Tag für Tag durch
meine Wohnung quälen.“
Plötzlich schien er wild entschlossen zu sein,
ihr alles über diese Nadine zu erzählen, denn ohne dass sie ihn dazu ermuntert
hätte, fuhr er fort: „Sie ist auch allergisch gegen Doggen. Du hättest ihre
Haut mal sehen müssen. Zum Schluss hat sie sich nur noch gekratzt. Aber das war
nicht der einzige Grund für unsere Trennung. Wir haben herausgefunden, dass wir
auch sonst nicht zueinanderpassen. Von Wehmut keine Spur. Bei ihr nicht, und
bei mir auch nicht.“
„Das nennt man wohl eine Trennung in
beiderseitigem Einvernehmen“, sagte Marie und wischte sich mit einer fahrigen
Handbewegung über die Stirn. Das machte sie immer, wenn ihr etwas gegen den
Strich ging. Aber das konnte Jonas nicht wissen. Während er weiter von seiner
Ex erzählte, wurde er immer offener und mitteilsamer. Als würde er in die
Vergangenheit blicken und dort etwas entdecken, mit dem er einverstanden war, nickte
er ab und zu vor sich hin.
Merkwürdig. Eben noch war Marie erleichtert
gewesen, dass er kein Theater wegen der Beule machte. Und jetzt störte sie sich
plötzlich daran, dass er so lang und breit über seine Trennung quatschte. Oder
war sie bloß neidisch, weil sie selbst niemanden vorzuweisen hatte, von dem sie
sich getrennt hatte? Eine Zeit lang überlegte sie, ob sie ihm von ihrem guten
alten Schulfreund Bulli Köser erzählen sollte, der ein paar Jahre nach ihr in
die Stadt gekommen war, um die Werkstatt seines verstorbenen Schwagers zu
übernehmen. Dann würde sie nicht ganz so anhangslos dastehen. Aber letztlich
sah sie davon ab. Was gingen Jonas ihre Männergeschichten an? Nichts.
Ist das wirklich alles, woran du im Moment
denken kannst?, dachte sie. An Frauen- und Männergeschichten? Du hast gerade
einen Unfall gebaut und müsstest dich wirklich um andere Dinge kümmern.
Irgendwann hörte Jonas endlich auf, von dieser
Nadine zu reden, und wollte wissen, was Marie von Beruf sei.
„Ich hab Biologie mit Schwerpunkt Zoologie
studiert“, sagte sie. „Aber das war für die Katz oder besser gesagt: für den
Hund.“
„Hier an der Uni?“
„Ja. Du auch?“
„Ja. Komisch, dass wir uns nie über den Weg
gelaufen sind. Obwohl ... Manchmal hab ich ein Mädchen mit einem Piratentuch in
der Mensa gesehen. Sie war immer mit ’ner kleinen Rotgefärbten mit
Sommersprossen zusammen.“
„Das war meine Freundin Danny. Sie promoviert
gerade in Botanik.“
„Hast du auch deinen Doktor gemacht?“
„Ja.“
„Toll. Welches Thema?“
„Morphologie und Ontogenese des Nervensystems
ausgewählter Astacidae im Hinblick auf die progenetische Entstehung der
Daphnien.“
„Hat das was mit Hunden und Wölfen zu tun?“
„Nein, mit Flusskrebsen und Wasserflöhen.“
„Trotzdem interessant. Außerdem ist so ein
Doktor vor dem Namen doch geil.“
„Ja, ich heiß jetzt Dr. rer. nat. Marie-Louise
Arbeitslos. Klingt gut, nicht?“
„Klingt sehr gut, genauso wie mein Titel. Ich
heiß Mr Praktikum, und dieser Titel ist mir schon 27mal verliehen worden.“
„Du hast schon 27 Praktika gemacht?“
„Ja. Ich schein da in ’ner Endlosschleife
festzuhängen. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal freihatte. Auf der
England-Klassenfahrt im achten Schuljahr, glaub ich. Wie auch immer: Bei einem
dieser Praktika bin ich auf den Hund gekommen.“
„Wie jetzt?“
„Frau Meyer wurde als Welpe über eine Mauer
geworfen. Nach dem Abitur hab ich in einem Tierheim gejobbt, und dann, eines
Tages, ich steh gerade vor den
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