Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
und fragte sie zum wiederholten Mal nach ihrer Kindheit und ihren
Eltern. Sie wich ihm wie üblich aus und fing stattdessen an, von ihrem
Zoologiestudium und ihrer Promotion zu erzählen.
„Als Doktorand gehörst du zu den
Übriggebliebenen, zu den Idioten, die keiner haben will“, sagte sie irgendwann.
„Klingt komisch, aber so ist es nun mal. Die Überflieger werden gleich nach dem
Studium weggeholt, und die Durchschnittsbiologen gehen in die Arbeitslosigkeit
oder müssen weiter an der Uni rumhängen.“
„Hast du echt keinen Job gefunden?“
„In ganz Deutschland nicht. Ich konnte mir zwar
nicht vorstellen, hier wegzuziehen, aber für die richtige Stelle hätte ich es
getan. Hör mal, ich hab keine Spaghettis mehr. Ob man auch Spätzle nehmen kann?“
„Ich denke schon.“
„Gut, dann machen wir unsere eigene Kreation.
Und was meine Zukunftsaussichten angeht: Die waren eh nicht rosig. Wenn du
keinen Onkel in der Führungsetage eines Forschungsinstituts sitzen hast, kannst
du als Biologe gleich einpacken.“
„Mann, da sitzt der Frust ganz schön fest.“
„Ich würde das nicht noch mal studieren, nicht
Zoologie, never ever. Wahrscheinlich war ich da etwas naiv. Wenn man als
Mädchen beschließt, mit Tieren zu arbeiten, kommen da gleich diese
Ponyhofvisionen in einem hoch. Man kann gar nichts dagegen machen. Aber was
soll’s. Inzwischen hab ich mein Leben umgekrempelt, und das war gut so.“
„Du hast aufgegeben.“
„Ich hab umdisponiert.“
„Mit dem tausendsten Gassiservice?“
„Warum nicht? Mir ist klar, dass es auch
schiefgehen kann. Aber es ist immer noch besser als das, was ich vorher hatte:
nichts. Außerdem macht die Arbeit mir Spaß.“
„Aber sie bringt dich von deinem Weg ab. Wenn
du nicht dauernd im Zickzack laufen würdest, sondern geradeaus, würdest du
schneller vorankommen.“
„So wie du, ja? Sieht man doch, wo deine
Gradlinigkeit dich hingebracht hat. Du bist so alt wie ich und hast auch noch
nichts beschickt.“
„Das täuscht. Ich tänzel vor dem Gegner herum
und behalte ihn im Auge.“
„Ach, und ich hab die Flucht ergriffen?“
„Gewissermaßen schon.“
„Ich hab mir nur ’ne Nische im Arbeitsmarkt
gesucht. In Deutschland wuseln bis zu zehn Millionen Hunde herum. Warum soll
ich nicht ein paar davon betreuen?“
„Im Prinzip finde ich dein Geschäftsmodell ja
auch gut. Aber es ist nicht das, was du eigentlich wolltest.“
„Sollte ich etwa weiter heulen und mit den
Zähnen klappern? So brauchte ich wenigstens nicht mehr zum Arbeitsamt rennen.
Meine Sachbearbeiterin da ging mir echt auf die Nerven. Was die mir im Laufe
der Zeit für Frechheiten geboten hat …“
Jonas lachte auf. „Das kenn ich. Mein
Sachbearbeiter war auch ein Folterknecht. Der hat so ein reizendes Kundenprofil
über mich verfasst und gedroht, es im Netz zu veröffentlichen.“
„Meine wollte mich dauernd in irgendwelche
Maßnahmen einweisen. Wenn ich das abgelehnt hab, hat sie mich als unkooperativ
bezeichnet. Die war schon sauer, wenn ich mal ’ne kritische Frage gestellt hab.
Da hat sie gleich mit Leistungskürzung gedroht.“
„Die hatte Angst. Ohne dich hätte sie keinen
Job.“
„Irgendwann stand es mir bis hier. Und weil ich
nicht von der Stütze leben wollte …“ Marie ließ den Satz offen, wühlte in ihrem
Gefrierschrank herum und sagte dann: „Mist! Ich hab kein Hackfleisch mehr. Ob
man Tofu zerkrümeln kann?“
„Ja klar“, sagte Jonas. Dann fuhr er fort: „Man
kann alles richtig machen, und trotzdem läuft alles schief. Immerhin hab ich
zurzeit wenigstens die Hoffnung auf eine feste Stelle.“
„Schön, dass du noch Illusionen hast.“
„Die hatte ich, wenn überhaupt, nur kurz: als
ich mein Abschlusszeugnis in der Hand gehalten hab. Da sind meine Kommilitonen
und ich tanzen gegangen und haben eine Flasche Schampus geköpft. Aber kaum war
die Party vorbei, mussten wir auch schon Formulare ausfüllen und uns in die
Arbeitslosenschlange einreihen. Sei’s drum. Ich hab nichts mehr zu verlieren. Deshalb
schreib ich auch weiter Bewerbungen. Wenn alle Stricke reißen, kann ich immer
noch Immobilienmakler werden. Oder ich bleib weiter beim Modellbau. Nein,
Illusionen hab ich nicht mehr, aber Visionen . Die kann man wenigstens nicht verlieren. Wie
viele Bewerbungen hast du bis jetzt geschrieben?“
„90. Ergebnis: null.“
„Das reicht nicht. Bei mir sind’s schon 250.“
„Ich bin’s aber leid, ständig neue
loszuschicken. Klinkenputzen und Abfuhren
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