Die Zukunft ist ein toller Job (German Edition)
Punkt. Wenn er nicht mit Marie
schlief, konnte er nicht mehr klar denken, dann hatte er keine Ideen mehr, dann
war er arbeitsunfähig.
Gestern hatte er wieder solche Sehnsucht nach
ihrer Nähe und ihrem warmen, weichen, verlockenden Körper gehabt, dass er sie
schließlich in einer Mischung aus Lust, Bedrängnis und Angst via Internet-Chat
flachgelegt hatte. Danach war sie schlafen gegangen, und er hatte weiter wie
ein Sklave geschuftet. Für einen Typen wie Christoph. Der hielt das Resultat
der Geschichte jetzt in den Händen.
Jonas war blind vor Scham. Obwohl … Eigentlich
hatte er in dieser Situation nichts mehr zu verlieren. Also fasste er einen
Entschluss.
„Okay, es ist das, wonach es aussieht“, sagte
er und sah Christoph in die Augen. „Aber keine Sorge, ich hab hier keine Orgien
gefeiert oder sonst irgendeinen Schweinkram gemacht. Es hat sich um braven,
fröhlichen, einvernehmlichen Heterosex mit meiner Freundin gehandelt. Und nur
für den Fall, dass du Angst um deinen Teppich hast: Dafür musste sie noch nicht
mal herkommen.“
„Du bist gefeuert!“, sagte Christoph laut.
„Du kannst mich nicht feuern. Mein Vertrag ist
eh fast abgelaufen.“
„Du bist trotzdem gefeuert! Pack deine Sachen
und geh! Sofort!“
„Na gut, aber den Papierkorb nehm ich mit, den
hab ich mir redlich verdient“, sagte Jonas, riss ihm das Ding aus der Hand und
ging zu seinem Schreibtisch zurück.
Das 28ste, dachte er nur, das 28ste ...
„Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du
keine Hundehaare in den Müll werfen sollst“, sagte Kordula und blickte von
ihrer Arbeit hoch.
„Das waren keine Hundehaare“, sagte er nur, und
darauf wusste sie nichts zu erwidern. „Spielt eh keine Rolle mehr“, fuhr er
fort. „Ich bin in fünf Minuten weg.“ Dann warf er seine Sachen in das
Behältnis, nahm sein Jackett und wollte das Büro verlassen.
„Jonas“, rief Kordula, als er schon in der Tür
stand.
„Ja?“, fragte er, drehte sich um und sah sie
an. Vielleicht hoffte er tief in seinem Innersten, dass sie mehr Vernunft besaß
als er und ihn zurückhielt. Aber das tat sie nicht.
„Ich ruf dich in den nächsten Tagen an“, sagte
sie.
Weil seine Augen schwappvoll mit Tränen waren,
konnte er nur noch nicken. Dann verließ er den Ort, an dem er monatelang
gearbeitet, gelebt und … ja, verdammt, auch geliebt hatte.
In den folgenden Tagen blieb er zu Hause und
haderte mit seinem Schicksal. Er wollte ja den Titel, er wollte Aufgaben und Verantwortung und irgendwann auch
ein eigenes Büro. Aber je mehr er sich abstrampelte, um diese Träume wahr
werden zu lassen, desto weiter rückten sie in die Ferne. Und nun wusste er
überhaupt nicht mehr, wie es mit ihm weitergehen sollte. Er hatte wirklich null
Ideen. Nur eins war klar: Ein 28stes Praktikum würde er nicht mehr machen. Er
hatte das alles so satt: die Überstunden, die Entlohnung, die Probearbeiten,
den Termin- und Leistungsdruck, das ständige Auf-dem-Sprung-Sein, das
Nicht-richtig-Dazugehören, das Sofort-vergessen-Werden … Und dann die
vermeintlichen Alternativen: die Werkverträge, die Kurzzeitverträge, die im
besten Fall nur in neue Kurzzeitverträge übergingen, die studiennahen Jobs mit
Übergangscharakter, die allesamt in eine Sackgasse führten ... Nicht zu
vergessen den nicht enden wollenden Bewerbungsmarathon, der weiter nebenher
laufen musste, und die gleichgültigen bis lachhaften Absagen. All die
enttäuschten Hoffnungen, all die vertane Zeit …
Er war immer ein Optimist gewesen, einer, der
sich nie unterkriegen ließ, jedes Minus in ein Plus verwandelte und kräftig auf
das Prinzip Zuversicht vertraute. Aber jetzt wurde ihm schlagartig klar: Kein
Personalchef würde einen Kettenpraktikanten wie ihn einstellen. Und das konnte
man ihm noch nicht mal verdenken. Bei Bewerbern wie Jonas war doch was
oberfaul. Sonst wäre ihr Lebenslauf sauber, sonst wären sie längst irgendwo
untergekommen. Lag’s an den Qualifikationen, am Charakter, an der körperlichen
und nervlichen Belastbarkeit?
Nein, es gab keine Hoffnung auf Besserung. Er
musste den Tatsachen ins Auge sehen: Es gab keine Zukunft mehr für ihn.
Irgendwie war sie ihm abhandengekommen. Er war am Ende. Am liebsten wäre er zur
Uni gefahren und hätte sich vom Architower gestürzt, wie die anderen armen
Säue, die da hochgeklettert waren und den Sprung ins Nirgendwo gewagt hatten.
Selbst Marie konnte ihn nicht trösten, obwohl
sie sich rührend um ihn bemühte.
So dämmerte er in dumpfer
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