Die Zusammenkunft
Dunkelheit ausstrahlten. Sie dachte an den Tod. Sie erinnerte sich an das Gefühl, als sie in den Rückspiegel geschaut hatte, an das Wissen, ihn bereits zweimal besiegt zu haben. Aber das waren nur Scheinsiege gewesen. Wenn er gewollt hätte, dann würde sie jetzt nicht hier unter der Dusche stehen, sondern irgendwo unter der Erde liegen. Sie erinnerte sich an seinen Blick, als er ihr in einem früheren Leben den tödlichen Stoß versetzt hatte, an seine dunklen, blitzenden Augen, als er vor einer Woche wieder mit dem Schwert auf sie zugekommen war. Sie erinnerte sich an ihre Geistreise auf dem Felsen, als sie zu ihm geflogen war, um seine Ängste zu spüren und seine Panik, sie zu verlieren. Sie hatte hinter seine Fassade gesehen. Sie erinnerte sich an sein Verlangen nach ihr, wie er sich nach ihr verzehrte. »Ich bin reiner Geist, reiner Geist bin ich, frei von allen Grenzen, sicher geheilt.« Sie erinnerte sich an Claire, die ihr eindringlich geraten hatte, ihren Verstand auszuschalten und einfach nur ihren Wahrnehmungen zu vertrauen und ihnen zu folgen, statt sie ständig unter dem Deckmantel angeblicher Vernunft zu verstecken. Ihr Verstand sagte ihr, sie sollte auf der Hut sein, vorsichtig sein und sich nicht allzu sicher fühlen. Ihr Bauch und ihr Geist sagten ihr, dass sie heute da ankommen würde, wo sie immer schon ankommen wollte.
Es klopfte an der Tür, und die Friseurin trat ein, ausg estattet mit Kamm, Föhn und einem gewaltigen Bürstenset. Sirona fragte sich, wo sie diese ganzen Bürsten an ihrem Kurzhaar einsetzen wollte. Und tatsächlich dauerte es keine zwanzig Minuten, bis die Frisur saß.
Beim Make-up legte sie selbst Hand an. Es entsprach dem normalen Make-up, das sie fast täglich trug, ein he ller passender Lidschatten, heute in einem Eisblau, zum Augenwinkel hin etwas ins Anthrazit verlaufend. Sie legte immer einen dunklen, breiten Lidstrich auf, den sie mit Wasser und schwarzem Lidschatten selbst anrührte. Mit Mascara ging sie stets sehr großzügig um. Die Brauen, die in der Regel dunkelblond gefärbt waren, zog sie noch mit einem Hauch von hellbraunem Lidschatten nach. So sehr sie dunkelroten Lippenstift auch bevorzugte, griff sie aufgrund des hellen Kleides heute zu einem zartrosa Lipgloss, der laut Verpackung 24 Stunden haltbar und kussecht sein sollte. Keine Frau konnte so einem Versprechen Glauben schenken, nicht umsonst gingen die Damen von Welt nie ohne Handtasche aus dem Haus.
Sirona hatte sich aus dem Stoff des Kleides eine kleine Handtasche gekauft, in die gerade mal der Lippenstift und die mit dem Spiegel ausgestattete Puderdose passten. P uder war gut, damit konnte man wunderbar Angstschweiß überdecken, dachte sie und grinste gemein. Fragte sich bloß, wer zuerst in Angstschweiß ausbrechen würde, wenn sie aufeinandertrafen. Sirona spürte Sarkasmus in sich aufsteigen und wurde etwas euphorischer.
Als sie das Schlafzimmer verließ, um im Salon nach der Handtasche zu sehen, stand Taamin bereits in der Tür. Ohne auch nur eine Sekunde den Blick von ihr zu wenden, schloss er die Tür, ging schweigend auf sie zu und kniete vor ihr nieder.
»Sirona, du bist nicht nur meine Königin, du bist wah rlich die Königin und nur dir will ich ewig dienen!«
Sirona schluckte. »Bitte, Taamin, steh auf, ich weiß, wer du bist. Ich weiß, was du mir geben willst. Bitte steh auf, hilf mir jetzt durch deine Stärke würdevoll aufzutr eten und nicht einzuknicken. Denn egal wie ich jetzt aussehe, ich bin Sirona, die du gewärmt hast, als sie zitterte, die du weggetragen hast, als sie sich im Kolosseum die Seele aus dem Leib gebrüllt hat, und die jetzt in diesem Moment mehr Angst als Vaterlandsliebe besitzt. Die all ihre Kraft jetzt darauf konzentriert, würdevoll und stark zu wirken, in dem Wissen, es nicht zu sein. Bleib jetzt an meiner Seite und sei einfach da.«
Taamin stand auf, nickte und öffnete die Tür, um sie vorgehen zu lassen.
Im Hotel waren sie ganz normal abgestiegen unter den Namen Paul Bennet und Sirona Kern. Jetzt, als sie aus dem Fahrstuhl heraus in die Halle traten, spürte sie die Blicke jeder einzelnen Person in der Halle. Sie hätte gern die Gedanken der Menschen gehört, die sie so anstarrten.
Sie holte tief Luft, als sie in die wartende schwarze Limousine stieg. Taamin schloss behutsam die Tür mit den dunkel getönten Scheiben hinter ihr. Sicherheit, erst einmal war sie jetzt in Sicherheit. Taamin gab dem Fahrer die Adresse und der Wagen rollte an.
Sie
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