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Die Zusammenkunft

Die Zusammenkunft

Titel: Die Zusammenkunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Bauers
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Erinnerst du dich, wie du spürtest, dass etwas hinter dir geschah? Du konntest Darken weder gehört noch gesehen haben, du hast ihn gespürt. Du spürtest das Schwert, dein Schwert, ohne es je zuvor gesehen zu haben, und du hast es sogar durch deinen Geist zu dir gerufen. Erinnere dich, als er dich angriff. Du hättest ihn töten können, aber du hast gewusst, dass er dich nicht töten wollte. Als du auf dem Felsen knietest, hast du gespürt, was die Wahrheit ist, hast gespürt, was geschehen war. Du hast ihn gespürt, hast mich erspürt, hast meine Bestimmung erspürt. Dann, als du vor der Pieta standest: Selbst da hast du sie erspürt, ich konnte es sehen. Und im Kolosseum: Es gibt keinen Ort der Welt, an dem so viel Blut, Tod und Grausamkeit zum Spektakel wurden. Die meisten Menschen spüren nur das, was sie mit ihren menschlichen Sinnen wahrnehmen können. Sirona, du aber spürst alles. Du spürst jede Energie, die war, die ist und die sein wird. Sirona, du bist reiner Geist, reiner Geist! Ist dir das klar?«
    Bei seinen letzten Worten zuckte Sirona zusammen. Dann sagte sie mit fester Stimme: »Taamin, ich bin reiner Geist, reiner Geist bin ich, frei von allen Grenzen, sicher geheilt, und solange du in meiner Nähe bist, kann mir nichts geschehen.«
    Seine Augen weiteten sich. »Du hast es gewusst!«
    »Ja, ich habe es gewusst, jedoch nicht begriffen. Ich lerne noch. Ich habe mein Leben lang meinen Kopf und meinen Verstand benutzt, um meine Wahrnehmungen zu unterdrücken, um mich davor zu schützen begreifen zu müssen, was ich bin. Es ist schwer, seiner Macht, seiner Energie und seiner Bestimmung zu vertrauen, aber die heutige Nacht im Kolosseum, die Geistreise auf dem Felsen gestern, die Begegnung mit Darken am Sonntag, all das rüttelt so stark an mir und meiner Fassade, dass sie allmählich zerbröckelt. Ich weiß, ich stehe noch am Anfang und ich bitte dich, Taamin, hilf mir! Ich will ich sein, ohne mich zu verlieren! Ich habe Angst vor der, die ich bin, Angst davor, was ich bin!«
    Taamin stand auf. »Sirona, du bist so schön, so stark und mächtig, wenn du dich doch nur so sehen könntest, wie ich dich sehe.« Er zögerte. »Du wirst es begreifen. Du wirst es lernen, zu akzeptieren, was und wer du wirklich bist. Ich werde da sein und dich schützen.«
    Er beugte sich zu ihr hinunter und hob sie hoch. Wie einen kostbaren Schatz trug er sie in ihr Schlafzimmer und legte sie aufs Bett. »Schlaf gut, Sirona, morgen haben wir wieder ein volles Programm.«
    Er löschte das Licht und schloss die Tür.

D ie beiden nächsten Tage verliefen ruhig. Sie vermieden es, über die Ereignisse im Kolosseum zu sprechen, und wäre da nicht das Gefühl von Heiserkeit gewesen, das Sirona noch spürte, sie hätte sich einbilden können, sie sei eine normale Touristin im Urlaub in einer der schönsten Städte der Welt.
    Am Donnerstag besuchten sie am Morgen den Markt auf dem Campo de’ Fiori, der seit 1869 an jedem Werktag abgehalten wurde. Nachdem sie die Auslagen begutachtet und auch für ihr leibliches Wohl gesorgt hatten, liefen sie die anderthalb Kilometer zur Engelsbrücke. Sie schritten darüber zur Engelsburg und Taamin kannte die Hintergründe jedes einzelnen der zehn prachtvollen Engel im Barockstil , die ebenfalls von Gian Lorenzo Bernini geschaffen worden waren. Er erklärte ihr alle mit der Passionsgeschichte verbundenen zehn Symbole, die die Engel trugen. Am Nachmittag besuchten sie einige von Taamin ausgewählte Boutiquen, um eine Abendrobe für das Sommerfest zu finden. Als sie jedoch nicht fündig wurden, zuckte Taamin mit den Schultern und fragte Sirona: »Warst du schon einmal in Mailand?«
    Sirona schüttelte den Kopf.
    Am Freitag flogen sie mit einem Hubschrauber nach Mailand. Sie überflogen die Toskana mit ihrer herrlichen Landschaft, Firenze, Bologna und Modena; und als hätte er wieder einmal ihre Gedanken lesen können, gab Taamin dem Piloten eine CD von Pavarotti, mit dessen Gesang der Flug über Modena nach Milano einen ganz besonderen Glanz bekam.
    Selbstverständlich fanden sie ein Kleid in Milano, so wie sie es sich vorgestellt hatte. Es bestand aus hellbla uem, leicht glänzendem Taft, der etwas silbrig changierte und damit noch zarter wirkte. Der Rock war ausgestellt, aber nur leicht, und somit noch sehr figurbetont. Das Kleid war als Neckholder gearbeitet, die Bänder im Nacken mit einem leichten Stehkragen verliehen ihm etwas Herrschaftliches. Sironas üppiger Busen kam in dem tief

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