Die Zwanziger Jahre (German Edition)
hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich konnte und wollte seinem Wunsch nicht im Weg stehen. Die Stärken von Stenger, zu dieser Zeit alleiniger Chef der DFB -Direktion Kommunikation und verantwortlich für die Pressearbeit bei der Nationalmannschaft, waren mir allerdings durchaus bewusst.
Es kam zu einem Konflikt, der auch öffentlich ausgetragen wurde, weil Harald Stenger die Entscheidung nicht nachvollziehen konnte. Wir einigten uns dann darauf, dass er die Stelle des Direktors Kommunikation frei machte, dass er aber als freier Mitarbeiter bis zum Ende der EM 2012 verantwortlich die Pressearbeit für die Nationalmannschaft leiten sollte. Nachfolger von Harald Stenger wurde Ralf Köttker, vorher Journalist bei der »Welt«.
Heute ist mein persönliches Verhältnis zu Harald Stenger aus meiner Sicht wieder intakt. Wir haben uns ausgesprochen, und er weiß, dass ich nicht die treibende Kraft hinter seiner Entmachtung war. Stenger wurde im August 2012 beim Länderspiel gegen Argentinien in Frankfurt verabschiedet. Ich habe ihm viel zu verdanken.
In der Nachfolgefrage bricht Wolfgang Niersbach mit seiner eigenen Tradition. Früher, zu seiner Zeit als Direktor Kommunikation, war es ganz selbstverständlich, dass der Pressechef auch und insbesondere für die Nationalmannschaft zuständig war. Jetzt führt er eine Doppelspitze ein, schwächt damit den eigentlichen Direktor Ralf Köttker und platziert neben diesem das »neue Gesicht« Jens Grittner. Ich bin gespannt, ob das gut geht. Gesichter sind zwar wichtig, aber Kompetenz und Fleiß, akribisches Recherchieren sowie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bundestrainer und dem Teammanager sind ebenso unabdingbar. Grittner ist ein »netter Kerl« mit dem so wichtigen »Fernsehgesicht«, aber Harald Stenger hat eine Messlatte gelegt, die Grittner im Interesse der Nationalmannschaft und ihrer öffentlichen Einschätzung erst einmal überspringen muss.
22.
»Turbine Anja«: Der Frauenversteher ↵
Die schönsten Erlebnisse meiner Amtszeit sind mit dem Frauenfußball verbunden. Als ich 2004 Geschäftsführender Präsident wurde, fiel es mir leicht, die Zuständigkeit für die Männer-Nationalmannschaft Gerhard Mayer-Vorfelder zu überlassen und mich um die Belange der Fußballerinnen zu kümmern. Denn mir war der Frauenfußball seit vielen Jahren vertraut.
Der Fußballverband Rheinland, aus dem ich komme, hat den Frauenfußball stets gefördert. Als im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen Anfang der Siebzigerjahre Frauen auch ihr Recht aufs Kicken in Anspruch nahmen, waren Vereine aus meiner Heimatregion schon ganz vorn mit dabei.
Der SC 07 Bad Neuenahr, dessen Frauenteam als einziges seit der Gründung 1997 ununterbrochen der eingleisigen Bundesliga angehört, schrieb Geschichte, als er im Sommer 1970 gegen den erklärten Willen des DFB eine Frauenmannschaft zur inoffiziellen Weltmeisterschaft nach Italien schickte. Dort kassierten die »Damen«, wie sie damals noch hießen, zwar zwei deutliche Niederlagen gegen England und Dänemark, doch sie machten bundesweite Schlagzeilen.
Im Jahr darauf nahm der Frauenfußball im Rheinland den geregelten Spielbetrieb auf, und die Bad Neuenahrerinnen waren von Anfang an das Maß aller Dinge. Bei der ersten offiziellen Deutschen Meisterschaft 1974 scheiterten sie unglücklich im Halbfinale – der Titel ging trotzdem nach Rheinland-Pfalz, nämlich an die TuS Wörrstadt aus der Nähe von Mainz. Vier Jahre später wurde der SC 07 dann doch zum ersten und einzigen Mal Deutscher Meister, setzte sich im Finale mit Hin- und Rückspiel gegen den SC Marpingen aus dem Saarland durch.
Geschichte hat der Bad Neuenahrer Verein auch durch sein großes internationales Frauenturnier geschrieben, das seit 1970 mehr als zwanzig Jahre lang Mannschaften aus allen Teilen Europas anlockte. Der Mann, der dahinterstand, hieß Heinz Günter Hansen, war Bezirksleiter bei der Lottogesellschaft und tat für »seine« Frauen schier unerschöpfliche Quellen der Unterstützung auf.
Die Vormachtstellung des SC 07 Bad Neuenahr im Rheinland wurde nur in den Achtzigerjahren zeitweise erschüttert, als der TuS Ahrbach, ein kleiner Verein aus dem Westerwald, zu seinem Höhenflug ansetzte. Die Ahrbacherinnen mit ihrem unermüdlichen und leidenschaftlichen Trainer-Manager Detlev Tank erreichten 1989 sogar das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, das sie vor 8000 Zuschauern in Montabaur gegen die damals nahezu unschlagbare Mannschaft der
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