Die Zwanziger Jahre (German Edition)
SSG Bergisch-Gladbach mit 0:2 verloren. Mit dabei im Ahrbacher Team war eine junge Frau namens Birgit Otto, die aus meinem Heimatort Altendiez stammte und die dort in den Siebzigerjahren bei den Ortsturnieren eine begehrte Mitspielerin in den Männermannschaften war.
Wenige Wochen vor dem DM -Finale hatte die deutsche Nationalmannschaft mit der famosen Torfrau Marion Isbert und der grandiosen Abwehrspielerin Jutta Nardenbach, beide vom TuS Ahrbach, erstmals den Europameistertitel gewonnen. Das Besondere daran war, dass das deutsche Fernsehen das Halbfinalspiel gegen Italien in Siegen live übertrug und viele Millionen Menschen sich von dieser Partie, die erst nach einem Nerven zerfetzenden Elfmeterkrimi zugunsten des DFB -Teams endete, begeistern ließen. Viele erinnern sich heute noch an die Minuten nach dem Schlusspfiff, als die »Elfmeterkillerin« Marion Isbert mit ihrem kleinen Sohn im Arm in die Fernsehkameras jubelte und schluchzte – das sind Momente für die Ewigkeit, und manche sehen diese EM und vor allem dieses Halbfinalspiel als eine Art Geburtsstunde des modernen Frauenfußballs, der es zum ersten Mal ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit schaffte. Zum Endspiel gegen Norwegen kamen damals mehr als 20 000 Zuschauer nach Osnabrück, die Veranstalter hätten locker doppelt so viele Karten verkaufen können. Deutschland gewann mit 4:1.
Schon das allererste offizielle Länderspiel einer deutschen Frauen-Nationalmannschaft fand am 10. November 1982 im Rheinland statt. Vor 5000 Zuschauern besiegte das Team mit Birgit Bormann vom SC 07 Bad Neuenahr und Torfrau Marion Isbert, die damals noch Feiden hieß, die Schweiz im Stadion Oberwerth zu Koblenz mit 4:1. Zweifache Torschützin war damals übrigens die zwanzigjährige Silvia Neid, heute als Bundestrainerin einem Millionenpublikum bekannt. Der Frauenfußball hatte also in meiner Heimatregion bereits eine beachtliche Tradition, als ich 1992 Vorsitzender des Fußballverbands Rheinland wurde.
Der ganz große Durchbruch kam mit dem Weltmeistertitel 2003 in den USA . Ich war damals DFB -Schatzmeister und beobachtete aus Deutschland den Turnierfortschritt unserer Mannschaft sehr genau. Die gewann alle ihre Spiele, in der Vorrunde 4:1 gegen Kanada, 3:0 gegen Japan, 6:1 gegen Argentinien, dann im Viertelfinale 7:1 gegen Russland und im Halbfinale vor 33 000 enthusiastischen Zuschauern 3:0 gegen Gastgeber USA , den großen Turnierfavoriten.
Die Aufmerksamkeit in der Heimat nahm von Spiel zu Spiel zu, und als wir dann im Finale gegen Schweden durch das Golden Goal von Nia Künzer, den Kopfball nach der wunderbaren Freistoßvorlage von Renate Lingor, zum ersten Mal Weltmeisterinnen wurden, brachen alle Dämme. Mehr als zwölf Millionen Menschen sahen in Deutschland am Fernseher zu, fast zehntausend Fans feierten die Mannschaft mit ihren Trainerinnen Tina Theune-Meyer und Silvia Neid nach der Rückkehr am Frankfurter Römer. Spätestens jetzt war ganz deutlich, welche Entwicklungsperspektiven der Frauenfußball hat, wenn man sich ihm ernsthaft und engagiert zuwendet und die fantastischen Leistungen der Mädels akzeptiert und honoriert. Und durch ihre bescheidene und ehrliche Art unterscheiden sich die Fußballerinnen, auch die im absoluten Spitzenbereich, wohltuend von vielen männlichen Profis.
Allmählich nahmen auch die dummen und sexistischen Sprüche von Männern ab, die den Frauen so gar keinen Anteil an »ihrer« Sportart gönnen wollten. Silvia Neid erzählte mir einmal, früher hätten die männlichen Zuschauer regelmäßig gefragt, ob die Spielerinnen nach dem Schlusspfiff auch die Trikots tauschten. Es gibt für eine Frau, die sich im Sport um ehrliche Anerkennung bemüht, nichts Demütigenderes als solche dummen Sprüche.
Zu diesen Machos gehört auch Uli Hoeneß. Bei all seinen Verdiensten um den deutschen Männerfußball, dieser Mann kennt einfach keinen Respekt. Als er nach der großartig verlaufenen WM 2011 in Deutschland zum Thema Frauenfußball befragt wurde, antwortete er: »Ich dachte, wir reden jetzt über Fußball.« Und das von einem Mann, der die Biathletin Magdalena Neuner als Aushängeschild für seinen FC Bayern gewinnen wollte. Uli Hoeneß sollte dankbar sein, dass die Fußballerinnen des FC Bayern mit ihrem Pokalsieg seinem Verein in der Saison 2011/12 wenigstens einen Titel beschert haben.
Aber, und das ist wirklich erfreulich, unsere Gesellschaft entwickelt sich viel toleranter und respektvoller, als es sich Hoeneß und andere
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