Die Zwanziger Jahre (German Edition)
und Sportzentren bauen können, in Nordkorea, in Ungarn und Ruanda, um nur drei Beispiele zu nennen, wo ich mich in jüngster Zeit selbst davon überzeugen konnte. All diese Entwicklungen verantwortet Sepp Blatter. Allerdings hat er seine Wohltaten immer auch so verteilt, dass er seine Position gestärkt und Abhängigkeiten erzeugt hat. Doch das lässt sich kaum vermeiden in einer Fußballwelt, in der wenige Mitgliedsländer wirtschaftlich stark und viele arm sind. Jüngst hat der Fifa -Kongress den Süd-Sudan als neues Mitglied aufgenommen. Das Land erhält aus den Töpfen der Fifa großzügige Unterstützung beim Aufbau einer Fußball-Infrastruktur. Der Präsident des dortigen Fußballverbands wird kein Feind Blatters sein.
Natürlich wird mit diesen Programmen auch Politik gemacht. Das ist nicht gleich Korruption, denn alles ist sauber und nach klaren Kriterien budgetiert, die Investitionen gerade in ärmeren Fußballländern sind notwendig und sachlich gerechtfertigt. Und weil immer wieder kolportiert wird, Blatter habe hohe Zuwendungen an einzelne Länder im Alleingang beschlossen und erst hinterher vom Exekutivkomitee absegnen lassen, sieht unser neuer Satzungsentwurf auch vor, dass bei solchen Entscheidungen künftig das Vieraugenprinzip zwingend ist, das heißt, einer allein kann dieses Geld nicht mehr anweisen. Das Gebot der Transparenz muss auch für die Finanzwirtschaft der Fifa gelten.
Im Vorfeld der WM 2006 bin ich Sepp Blatter häufig begegnet und habe ihn als kompetenten und verlässlichen Partner kennengelernt. Wir haben im Laufe der Jahre ein persönliches und freundschaftliches Verhältnis entwickelt. War er noch im Hinblick auf die Männer- WM 2006 kein Befürworter der deutschen Bewerbung, so hat er sich trotz respektabler Mitbewerber wie Kanada, Frankreich oder Australien eindeutig auf unsere Seite geschlagen, als es um die Frauen- WM 2011 ging. Sein Argument war, dass es die Entwicklung des Frauenfußballs nur vorantreiben konnte, wenn dieses Turnier in ein Land vergeben würde, in dem der Frauenfußball bereits einen hohen Stellenwert einnimmt. Der Verlauf der WM mit vollen Stadien und großem öffentlichen Interesse hat ihm und uns ja letztlich auch recht gegeben.
Nicht zuletzt aus diesem Grund hatten wir im DFB -Präsidium entschieden, Sepp Blatter bei der Präsidentenwahl unsere Stimme zu geben. Abgestimmt hat letztlich übrigens Wolfgang Niersbach, weil ich zu diesem Zeitpunkt bereits ins Exekutivkomitee aufgerückt war und deshalb im Kongress die Stimme nicht abgegeben habe. Ob er so abgestimmt hat, wie wir es vereinbart hatten, weiß ich natürlich nicht, denn auch diese Wahl ist geheim. Es wäre jedoch Wahnsinn gewesen, seinen Gegenkandidaten Mohamed Bin Hammam zu unterstützen, der ja als Vorsitzender der asiatischen Konföderation AFC die umstrittene WM in seinem Heimatland Katar auf den Weg gebracht hatte. Wenn bei der Vergabe tatsächlich unlautere Methoden im Spiel waren, musste Bin Hammam wohl damit zu tun haben. Es gab keinen geeigneten Gegenkandidaten; auch Uefa -Präsident Michel Platini, den viele Blatter-Kritiker in Deutschland, wie die Bayern-Chefs Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, als ihren Wunschkandidaten ins Gespräch brachten, taktierte nur und wartete ab.
Was dann aber nach der Wahl insbesondere aus Richtung des FC Bayern an Häme und undifferenzierter Kritik ausgeschüttet wurde, das war unanständig und hat mich verletzt. Ich hatte mit der WM -Vergabe an Katar nichts zu tun, hatte sie in zahlreichen Interviews und Stellungnahmen kritisch kommentiert. Für meine gerade begonnene Amtszeit in der Fifa -Exekutive hatte ich mir vorgenommen, die nötigen Reformen entschieden voranzutreiben und auch die Vergangenheit transparent aufzuarbeiten. Das schafft man aber nicht, wenn man auf den Tisch haut und sich als Besserwisser aufspielt. Uli Hoeneß hatte schon vor meiner Wahl einfach mal gefordert, »dass der DFB -Präsident in der Fifa dominant auftritt«. Dabei sollte er aus seiner langjährigen Erfahrung genau wissen, wie schwerfällig ein solcher Riesentanker wie die Fifa rangiert und dass jegliche Neuerung hier mit allergrößtem Misstrauen betrachtet wird. Wenn ich auch nur eine geringe Chance haben wollte, für meine Vorstellungen und Ziele Mehrheiten zu finden, musste ich diplomatisch vorgehen und einen Schritt nach dem anderen tun.
Die Holzhammer-Kritik aus allen Richtungen nach der Blatter-Wahl war dazu angetan, mir die Lust auf die Fifa gleich wieder
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