Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Christoph Daum in die Spur zurückgekehrt ist und seit vielen Jahren wieder als Trainer arbeitet. Als die Staatsanwaltschaft in Koblenz ein Verfahren gegen ihn eingeleitet hatte, suchte er bei mir Rat, denn ich hatte immer noch gute Kontakte in die entsprechenden Justizkreise und kannte den Vorsitzenden Richter wie auch den Staatsanwalt in Koblenz. Ich traf mich mit ihm an der Autobahnraststätte in Montabaur, und wir führten während eines langen Spaziergangs ein sehr intensives Gespräch. Ich habe ihn und seine damalige Lebensgefährtin, seine heutige Frau, als sehr verantwortungsbewusste und kluge Menschen kennengelernt, die sehr wohl wussten, dass er einen Fehler gemacht hatte – dass dieser Fehler ihr Leben aber nicht auf Dauer belasten durfte.
In dieser sportlich schwierigen und durch die Strukturreform auch in gewisser Weise unsicheren Situation wurde ich am 28. April 2001 zum Schatzmeister des DFB gewählt. Zehn Jahre »Warmlaufen« im Verband lagen hinter mir, jetzt stieg ich in die Entscheidungsebene auf. Ich freute mich darauf.
Was bleibt dem Verband, wenn er die Bundesliga nicht mehr hat? Viele hatten die Befürchtung, der DFB habe sich mit der Strukturreform und der Gründung des Ligaverbands selbst geschwächt. Doch das Gegenteil war der Fall. Mit dem Verlust der Liga begann der DFB , andere Felder zu besetzen, und stellte sich in der öffentlichen Diskussion breiter auf. Aus einem reinen Spitzenfußballunternehmen wurde ein an der Basis und der Gesellschaft orientierter Verband. Der DFB ist nun mal ein Verbände-Verband; auch die kleinen Vereine brauchen die Aufmerksamkeit der Spitze.
Eine glückliche Fügung war natürlich, dass Deutschland im Jahr 2000 den Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2006 bekommen hatte. Dieses Projekt bot uns einen riesigen Spielraum zur Gestaltung, sodass wir den Verlust der Liga nicht als Verlust empfanden. Die Kontakte des DFB zu den Profiklubs wurden intensiver als je zuvor, denn jetzt ging es um die Austragungsorte für die WM . Viele Bundesligisten wollten ein WM -Stadion haben, teils aus Imagegründen, aber auch, weil sich so die Möglichkeit bot, mit öffentlichen Mitteln die eigenen Arenen zu modernisieren.
Wer wie ich in der Steuerverwaltung ausgebildet worden ist und sowohl im Beruf wie auch im Ehrenamt beim Fußballverband Rheinland immer mit Finanzen zu tun hatte, der weiß: Schatzmeister ist eigentlich das schönste Amt. Der Schatzmeister hat großen Einfluss, kann die Dinge steuern und Verantwortung übernehmen, ohne dass er mit jeder Maßnahme im Blickpunkt der kritischen Öffentlichkeit, sprich der Medien, steht. Selbst bei der Bilanzpressekonferenz, die ich zum ersten Mal in der DFB -Geschichte veranstaltete, hielt sich das Interesse der Öffentlichkeit sehr in Grenzen. Damals beschlich mich das Gefühl, manchen Journalisten wäre es lieber gewesen, keine Zahlen zu erfahren. Dann lässt es sich halt viel leichter spekulieren.
Eigentlich ist es traurig: Von den Pressekonferenzen der Nationalmannschaft wird in epischer Breite berichtet, obwohl sich jeder Journalist die nichtssagenden Banalitäten, die da ausgebreitet werden, selbst ausdenken könnte. Das Fundament eines Verbands, das es überhaupt erst möglich macht, geeignete Spieler auszubilden für eine erfolgreiche Nationalmannschaft, findet höchstens mal Interesse, wenn es was zu meckern gibt. Zu einer Bilanzpressekonferenz des DFB schicken die Agenturen ihre Journalisten, vielleicht kommen auch die Kollegen der »Frankfurter Rundschau« und der » FAZ« , weil es für sie in Frankfurt besonders bequem ist, alle anderen Zeitungen begnügen sich mit kurzen Zusammenfassungen des Agenturberichts. Das steht in keinem Verhältnis. Ich werde das Gefühl nicht los, dass da etwas nicht stimmt in der Beurteilung der Wertigkeiten.
Bei so einer Bilanzpressekonferenz nennen wir unsere Einnahmen aus der Liga, aus den Länderspielen und dem Marketing, die Ausgaben für Nachwuchsförderung, für Bildung und natürlich fürs Personal und stellen dar, wie hoch die Rücklagen sind. Fragen werden gern beantwortet, bis auf eine: die nach dem Salär des Bundestrainers. Aber auch das können sich die Journalisten ungefähr selbst beantworten. Und doch ist dies die einzige Frage, die immer wieder gestellt wird. Im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gibt es keine Einschränkungen wie im gemeinnützigen Bereich, der Bundestrainer darf viel Geld verdienen, das ist auch völlig okay. In der Bundesliga oder einer anderen
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