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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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lernen, so wie er kürzlich die Hymnenpflicht für Nationalspieler gefordert hat. Da geht wohl manchmal der Nationalkonservative mit ihm durch. Die Sitzungen des Ligaausschusses begannen in aller Regel ohne ihn. Sein Freund und Stellvertreter Karl-Ernst Engelbrecht, den alle nur Engo nennen, ein großartiger Jurist, arbeitete sich intensiv an der Tagesordnung ab, bis kurz vor dem Sitzungsende MV hereinplatzte und alles über den Haufen warf, bis die Dinge in seinem Sinne geregelt waren. Man kann sich mal ärgern über ihn, aber wenn man ihn näher kennt, wird man ihn nicht nur respektieren, sondern auch gernhaben.
    Obwohl MV erklärtermaßen ein Mann der Liga war und ja auch als Vorsitzender des Ligaausschusses die Interessen der Profis vertrat, hat er immer für die Einheit des Fußballs geworben und sich den Abspaltungstendenzen aus der Liga widersetzt. Sein Problem war, dass er sich zu selten persönlich im Detail um die Dinge gekümmert hat. Er hatte eben für alles seine Leute und geriet in eine gewisse Abhängigkeit von seinen Beratern. Weil absehbar war, dass Egidius Braun nicht mehr in sein Amt zurückkehren würde, wurde Gerhard Mayer-Vorfelder auf dem ordentlichen Bundestag2001 , der auf den April vorgezogen wurde, zum neuen DFB -Präsidenten gewählt.
    Ein halbes Jahr zuvor durfte ich die neue Satzung auf dem außerordentlichen Bundestag in Mainz vorstellen. Dort erläuterte ich den Anwesenden die Grundzüge der Reform, unter anderem auch das vergrößerte Präsidium, dem fortan zehn Personen angehörten. Neben dem Präsidenten, dem Generalsekretär und dem Schatzmeister waren das zwei Ligavertreter sowie je ein Abgesandter der fünf Regionalverbände. So stellten wir sicher, dass die drei wichtigsten Präsidiumsmitglieder nicht mehr dem Regionalproporz unterlagen. Egidius Braun war gleichzeitig DFB -Schatzmeister und Präsident des Fußballverbands Mittelrhein gewesen; so waren Konfliktsituationen entstanden. Bei ganz wichtigen Entscheidungen war Unabhängigkeit durch Zurückhaltung angesagt, sonst brachte man sich in ein Dilemma: Wenn du für deinen eigenen Verband etwas tun willst, wirst du beargwöhnt – am besten benachteiligst du deine eigenen Leute. Diesen Widerspruch galt es aufzulösen.
    So wurde auch der DFB -Vorstand deutlich aufgestockt und übernahm als wichtigstes Lenkungsorgan die legislativen Aufgaben, die bis dahin dem DFB -Beirat zugekommen waren. Dieses Gremium war zu groß und schwerfällig geworden, es war quasi ein halber Bundestag. Wir teilten dem Beirat in der neuen Satzung repräsentative Aufgaben zu, später wurde er ganz abgeschafft. Dem Vorstand gehörten nun neben den Präsidiumsmitgliedern die acht Vorsitzenden der Ausschüsse an, fünf Vertreter der Regionalverbände sowie zehn Abgesandte des Ligaverbands. Auch für den Bundestag wurde der Delegiertenschlüssel geändert; die Profivereine erhielten so viele Stimmen, dass sie eine satzungsändernde Zweidrittelmehrheit verhindern konnten. Mit dieser Sperrminorität mussten die Vereine sich zufriedengeben; die von ihnen gewünschte Parität war nicht realistisch.
    Dass es von einer Satzungsbestimmung bis zur Umsetzung noch ein weiter Weg sein kann, wissen wir. Aber nun hatten wir den klaren Satzungsauftrag, das Grundgesetz des Fußballs. Damit ließ sich arbeiten.
    In diesen letzten Jahren des alten Jahrtausends ist vieles geschehen, über das ich mich freue und worauf ich stolz bin. Heute ist der DFB breiter aufgestellt als damals. Sehr viel mehr wird in Kommissionen und Arbeitskreisen verantwortlich und selbstständig entschieden, das Präsidium muss nicht immer und überall mitreden und mitentscheiden.
    Dass aber dieses kleine Pflänzlein, das Egidius Braun und ich mit vielen Mitstreitern in den Amateur- und Landesverbänden gesetzt haben, nämlich die soziale und gesellschaftliche Verantwortung des Fußballs zu entwickeln und zu organisieren, so prächtig herangewachsen ist, dass diese Entwicklung unumkehrbar ist – das ist die höchste Anerkennung, die ich mir vorstellen kann. Darüber bin ich mindestens genauso stolz und glücklich wie über einen Titel unserer Nationalmannschaft.
    Die Grundlagen für dieses gesellschaftspolitische Engagement sind Anfang der Neunzigerjahre gelegt worden, nicht zuletzt im Verhältnis zu den anderen Sportverbänden. Auch in Sportarten, die leider in unserer Medienwelt selten bis gar nicht vorkommen, gibt es Männer und Frauen, die ähnlich Großes leisten wie die Fußballer. Deshalb

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