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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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Weil Christoph Daum alle Vorwürfe weit von sich wies und sich niemand vorstellen konnte, dass an diesen Behauptungen etwas dran sein könnte, richtete sich die öffentliche Meinung zunächst massiv gegen Hoeneß.
    Um seine vermeintliche Unschuld zu beweisen, erklärte Christoph Daum sich sogar bereit, eine Haarprobe abzugeben. Er hatte jedoch zu hoch gepokert, denn die Untersuchung ergab ganz eindeutig, dass er nicht nur gelegentlich, sondern offenbar regelmäßig Drogen konsumierte. Daum verschwand erst mal in die USA , seinen Trainerjob in Leverkusen war er los, und an eine Zukunft als Bundestrainer war natürlich nicht mehr zu denken. Rudi Völler blieb nichts anderes übrig, als den Job, den er eigentlich gar nicht gewollt hatte, nun dauerhaft zu übernehmen. Schließlich stand die WM 2002 vor der Tür, und seine Arbeit hatte bis dahin zu keinerlei Klagen Anlass gegeben.
    Uli Hoeneß hatte recht behalten und war sozusagen rehabilitiert. Der damalige Bayern-Manager und heutige Präsident ist ja bekannt dafür, dass er manches raushaut gegen Menschen, gegen die er eine tiefe Abneigung hegt. Dass zwischen ihm und Daum die Chemie ganz und gar nicht stimmte, war damals kein Geheimnis. So wurden seine Äußerungen zunächst vielfach als persönlicher Racheakt interpretiert. Man hat ihm damit bitter unrecht getan.
    Ich glaube, dass Hoeneß aufgrund von Gerüchten, die ihm zugetragen wurden, einen starken Verdacht gegen Daum hatte, aber eben keine Beweise. Einen solchen Verdacht überprüfen zu lassen ist legitim; ob man zu diesem Zweck öffentliche Anschuldigungen erhebt oder interne Hinweise gibt, ist eine andere Sache. Im Profigeschäft wird nun einmal alles über die Medien ausgetragen, das ist manchmal sehr belastend, kann aber auch, wie in diesem Fall, zu einer eindeutigen Klärung der Sachlage führen, wie ein reinigendes Gewitter.
    Die Wahrheit ist nie schädlich, weder für denjenigen, der sie ausspricht, noch für denjenigen, der sie zunächst als unangenehm empfindet. Wenn jedoch ein bloßer Verdacht als Wahrheit verkauft wird, kann es gefährlich werden. Man kann dadurch Existenzen vernichten und die eigene Reputation schwer belasten. Uli Hoeneß müssen wir heute noch dankbar sein für seinen Mut, den Verdacht an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Man stelle sich nur vor, Christoph Daum wäre Bundestrainer geworden und seine Verfehlungen wären erst später ans Licht der Öffentlichkeit gekommen.
    Dass ein Spitzentrainer, der weit über seine Mannschaft hinaus ein Vorbild für die Jugend sein soll, sich eine Nähe zu Rauschgift nicht leisten kann, ist unstrittig. Für einen Nationaltrainer gilt das erst recht. Doch das Thema Christoph Daum war damit noch nicht erledigt. Abgesehen von den Rechtsverfahren, denen er sich wegen diverser Gesetzesverstöße aussetzen musste, stellte sich die Frage: Muss einem Trainer, der nachweislich Drogen genommen hat, nicht die Lizenz entzogen werden? Kann jemand, der sich so verhalten hat, noch Vorbild für unsere Kinder sein?
    Es war eine schwierige Diskussion innerhalb des DFB -Präsidiums; besonders Alfred Sengle, der in solchen Fragen kompromisslos war, plädierte leidenschaftlich dafür, Christoph Daum für den Trainerberuf zu sperren. Doch die Mehrheit war anderer Meinung, und zu Recht. Ich glaube nicht, dass Vorbilder fehlerlos sein müssen. Solche Heilige, die in allen Lebensbereichen stets richtig handeln und immer auf dem rechten Weg wandeln, gibt es nicht. Sich von einer Drogensucht zu befreien erfordert viel Kraft und Durchhaltevermögen. Ein solcher Prozess kann die Betroffenen umso stärker machen, wenn sie zurückkommen. Wenn ein Mensch sich zu seiner Schwäche bekennt und bereit ist, sie zu bekämpfen, sollte das kein Grund sein, ihn auf Dauer zu ächten und ihm die Rückkehr in seinen Beruf zu verstellen. Wenn ihm die Umkehr gelingt, wird er als Vorbild umso glaubwürdiger, weil er über sein Fehlverhalten und die Konsequenzen berichten kann. Auch ein reuiger Sünder taugt als Vorbild.
    Ich habe aber auch Verständnis für die Präsidiumskollegen, die die Angelegenheit strenger gesehen haben – immerhin wurde um Daums Kokainkonsum und die Folgen monatelang eine aufgeblähte öffentliche Diskussion geführt, die keinen unberührt lassen konnte. Wir haben auch viele böse Briefe erhalten aus dem Amateurfußball, in denen gefordert wurde, man müsse an Christoph Daum ein Exempel statuieren. Eine nachvollziehbare Reaktion.
    Ich habe mich gefreut, dass

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