Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Köln, Dortmund und Gelsenkirchen noch ein bisschen mehr zu bieten hatten. Ein echter Härtefall war Mönchengladbach, das am Ende in der direkten Konkurrenz mit Kaiserslautern den Kürzeren zog. Die Entscheidung für das Fritz-Walter-Stadion war letztlich eine Verbeugung vor dem Namensgeber der Arena, dem großen deutschen Fußballidol, dessen Name auf ewig mit dem WM -Gewinn von 1954 verbunden ist. Fritz Walter hatte in der Bewerbungskampagne eine ganz wichtige Rolle gespielt, und auch daraus resultierte eine gewisse Verpflichtung, die auch dadurch nicht hinfällig wurde, dass Fritz Walter während der WM 2002 starb und das Turnier in »seinem« Stadion nicht mehr erleben durfte. Kein DFB -Funktionär hätte sich getraut, Kaiserslautern aus dem Bewerberkreis zu kippen. Aber wir haben klar gesagt, dass es letztlich nicht unsere Entscheidung ist, ob die kleinste WM -Stadt ein solches Projekt stemmen kann.
Ich denke, in der Pfalz wird sich heute so mancher wünschen, die WM wäre an Kaiserslautern vorbeigegangen. Das Land Rheinland-Pfalz, die Stadt und der 1. FCK haben diesen Prestigeerfolg gewollt und sich daran, wie wir heute wissen, etwas verhoben. Kein Zweifel, dass die WM -Tage in Kaiserslautern wunderbar waren, die Spiele auf dem Betzenberg haben der Stadt internationale Bekanntheit und einen großen Imagegewinn verschafft. Aber ob sich der finanzielle Aufwand des Stadionumbaus für fünf WM -Spiele gelohnt hat, das muss man heute stark bezweifeln. Der Verein 1. FC Kaiserslautern hat einfach nicht die Wirtschaftskraft, um ein so großes Stadion auf Dauer füllen und bezahlen zu können; als man sich im Jahr 2000 zur WM -Bewerbung und zum Stadionausbau entschloss, träumten die Verantwortlichen des Deutschen Meisters von 1998 angesichts der aktuellen Erfolge offenbar von einer strahlenden Zukunft als regelmäßiges Mitglied der Champions League.
Das war dann doch zu optimistisch. Stattdessen drohte den traditionsreichen Roten Teufeln, nicht zuletzt wegen der hohen Folgekosten des WM -Abenteuers, sogar das wirtschaftliche Aus und der sportliche Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass ein Stadion wie in Mainz, Augsburg oder Leverkusen für den FCK und die Region durchaus genügen würde und gewiss leichter zu finanzieren wäre. Aber damals erschien der Gedanke, die WM in diese Mini-Großstadt mitten im Pfälzer Wald zu holen, wohl doch zu verführerisch.
Prüfer auf Abwegen
Neben den Pflichtaufgaben, die wir uns auferlegt hatten und die zu erfüllen waren, kamen auch immer wieder neue Querschüsse, mit denen keiner gerechnet hatte und die zusätzlichen Einsatz erforderten. Je näher die WM rückte, desto hektischer wurde es in manchen Bereichen. So hat uns ein halbes Jahr vor dem WM -Start ein Gutachten der Stiftung Warentest überrascht, über das wir uns maßlos geärgert hatten. Unter der schreienden Schlagzeile »Rote Karte für fünf WM -Stadien« wurde die Sicherheit in unseren Arenen massiv infrage gestellt. Der vermeintliche Experte, der jenes Gutachten erstellte, prüfte die Fluchtwege ausschließlich nach einem einzigen Kriterium: Es durfte keinen Stadiongraben geben. Aber natürlich gab es in den verschiedenen Stadien ganz unterschiedliche und individuell angepasste Fluchtpläne, in Berlin beispielsweise hatte man kleine Brücken installiert.
Ich kann bis heute nicht begreifen, warum eine anerkannte Institution wie die Stiftung Warentest, die die Qualität von Produkten zuverlässig überprüfen und dem Verbraucher Handreichungen geben soll, sich dem fragwürdigen Sachverstand eines Gutachters ausliefert, der plakativ seine eigenen vorgefassten Außenseitermeinungen verkündet. Diese Wichtigtuerei, und nichts anderes ist es gewesen, hat uns viel an zusätzlicher Arbeit und Geld gekostet und im Ausland, wo die deutschen Organisationstalente ja einen glänzenden Ruf genießen, ein fatales Bild erzeugt. Es gibt einfach Leute in Deutschland, die wissen nicht, was sie tun. Sie wollen mitspielen im Millionenspiel Fußball, und wenn sie den größten Unsinn verbreiten. Statt sich vor der Veröffentlichung vernünftig mit uns abzustimmen, hat die Stiftung diese unangemessene Bewertung plakativ über die Medien verbreitet. Wir mussten dann mühsam die Scherben aufkehren. Der ganze Vorgang war in meinen Augen unwürdig, und die Stiftung Warentest hat sich damit selbst keinen Gefallen getan.
Da hatten die Verbraucherschützer, die uns auch sehr stark gefordert haben, einen
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