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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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DFB in die Neuzeit geführt hat, hatte ich keine persönlichen Kontakte. Aber ich kannte ihn aus dem Fernsehen, ich wusste um seine starke Position auch in den internationalen Gremien. Er hat den DFB vorangebracht, moderne Managementstrukturen eingeführt und erkannt, welch wichtige Rolle in der Gesellschaft sich der Fußball anschickte zu spielen.
    Hermann Neuberger genoss international hohes Ansehen. In Deutschland war man ihm nicht immer wohlgesinnt, fragte nach möglichen Verstrickungen im Nationalsozialismus und hielt ihm vor, bei der Weltmeisterschaft 1978 mit der argentinischen Militärdiktatur sympathisiert zu haben. Ich sehe Hermann Neuberger anders, denn ich weiß, dass er insgesamt eine tolerante und weltoffene demokratische Haltung vertreten hatte. Immerhin hat er gemeinsam mit Egidius Braun Israel den Weg in die Uefa geebnet, weil das Land von seinen asiatischen Nachbarn boykottiert wurde. In Israel ist Hermann Neuberger noch heute ein hoch angesehener Mann.
    Egidius Braun stand mir trotzdem viel näher. Er war nicht nur der Mann der Liga und der Nationalmannschaft allein, ihm war es immer wichtig, den Fußball in seiner sozialen Dimension darzustellen und zu zelebrieren. In diesen Gedanken konnte ich mich wiederfinden, und ich bin stolz, dass ich seine Arbeit, wie es ja auch sein Wunsch war, intensiv fortsetzen konnte.
    Hermann Neuberger, Egidius Braun, Gerhard Mayer-Vorfelder und ihre Vorgänger hatten die Spuren hinterlassen, in die ich nun treten musste. Zwei harte Jahre würden auf mich zukommen. Jahre voller Arbeit, voller Hindernisse, voller Medienzirkus. Würde das Zusammenspiel mit MV klappen oder würden wir uns gegenseitig Knüppel zwischen die Beine schmeißen? Und was käme nach der WM 2006?
    »Schau’n mer mal«, würde der Franz sagen. Ich war überzeugt, dass ich meiner neuen Verantwortung gerecht werden konnte.

12.
    »Mein lieber Jürgen«: Kämpfe mit Klinsmann ↵
    Neben den organisatorischen Vorbereitungen auf die WM mit all ihren Nebengeräuschen hielt uns auch unser neuer Bundestrainer mächtig auf Trab. Nachdem wir uns im Sommer 2004 endlich auf eine neue Führungsstruktur im DFB geeinigt hatten, konnten wir schließlich auch die Trainerfrage lösen. Wochenlang war kein Fortschritt erkennbar, und die Debatte drehte sich im Kreise. Otto Rehhagel und Ottmar Hitzfeld hatten abgesagt, auch mit ausländischen Trainern wie Guus Hiddink oder Morten Olsen kam es zu keiner Einigung, und daneben hielten sich die Gerüchte, Mayer-Vorfelder verhandele auf eigene Faust mit Christoph Daum, den jedoch die Liga und wohl auch die Öffentlichkeit nach seiner Drogenaffäre nie und nimmer akzeptiert hätten.
    Nachdem MV mit seinen Alleingängen aus Portugal keinen Erfolg gehabt hatte, formierte sich eine sogenannte Trainerfindungskommission, kurz TFK , die mit Franz Beckenbauer, Gerhard Mayer-Vorfelder, Horst R. Schmidt und Werner Hackmann hochrangig besetzt war. Doch auch die TFK kam zu keinem Ergebnis. Schließlich kamen uns der Zufall und Berti Vogts zu Hilfe.
    Ich saß im Büro von Horst R. Schmidt, als der ehemalige Bundestrainer anrief und empfahl, mit Jürgen Klinsmann zu sprechen – der sei ein geeigneter Kandidat. Dass Vogts den Generalsekretär und nicht den DFB -Präsidenten kontaktierte, spricht für sein gestörtes Verhältnis zu Mayer-Vorfelder, von dem er sich in seinen schweren Zeiten zu wenig unterstützt gefühlt hatte. Klinsmann lebte seit Jahren in den USA , doch dass der deutsche Fußball und der DFB ihm nicht gleichgültig waren, hatte er in den Tagen zuvor durch mehrere kritische Interviews deutlich gemacht, die gewiss nicht jedem im DFB gefallen haben. So sah mich Horst R. Schmidt zweifelnd an, doch mir gefiel Bertis Vorschlag. Das konnte der Durchbruch sein. Schmidt informierte die TFK -Experten von dieser Idee, MV und er setzten sich sofort ins Flugzeug, trafen sich in New York mit Jürgen Klinsmann und wurden schnell mit ihm einig.
    Der Schwabe Klinsmann, der bei Mayer-Vorfelders VfB Stuttgart zum Nationalspieler geworden war, galt allgemein als schwieriger Charakter. Schon als Spieler hatte er seinen eigenen Kopf und den auch meistens durchgesetzt. In den Jahren seiner Zusammenarbeit mit dem DFB war nicht immer klar, ob es seine Vision war, die ihn leitete, oder seine Sturheit, wenn er sich wieder mal mit uns in den Clinch begab. Aber er brachte frischen Wind in den DFB und reformierte das Spiel unserer Nationalmannschaft in einer Art und Weise, die heute noch nachwirkt.

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