Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Auf der anderen Seite war ich realistisch genug, um zu wissen, dass eine Menge Schwierigkeiten auf mich zukommen würden.
Die letzten Wochen und Monate hatten ungewöhnlich viel Kraft gekostet. Das EM -Debakel in Portugal, die Suche nach einem neuen Bundestrainer – und natürlich der Wandel im Verband. Auch die Vorbereitung der Doppelspitze selbst war ungeheuer anstrengend. Den langen Weg zur Entscheidung habe ich ja bereits beschrieben. Aber weder Gerhard Mayer-Vorfelder noch Franz Beckenbauer beteiligten sich an der Umsetzung. Ihnen genügte es, dass die Liga der Lösung zustimmte.
Für die Profivereine war es in Ordnung, dass MV blieb, aber auch mich und meine Art haben sie akzeptiert. Die Liga konnte mit der Doppelspitze leben, die Amateurverbände taten sich weitaus schwerer. MV hatte während der Europameisterschaft 2004 und danach viel Reputation verspielt, und es war schwierig, ihn an der Basis durchzusetzen. Wir sind in alle Regionalverbände gefahren und haben besonders im Bayrischen Fußballverband sehr intensiv diskutiert und gearbeitet. Dort bekam MV am meisten Gegenwind.
Mit der Entscheidung, Heinrich Schmidhuber, den Präsidenten des Bayerischen Fußballverbands ( BFV ), zu meinem Nachfolger als Schatzmeister zu machen, gelang es uns, die bayrischen Gemüter zu besänftigen. Schmidhuber hatte in einer sehr schwierigen Phase Verantwortung übernommen und den BFV vor der Insolvenz gerettet. Deshalb genoss er ein sehr hohes Ansehen.
Doch am Abend vor dem Bundestag zeigte die Liga noch einmal ihre Krallen. Wilfried Straub, der nach einer langen Laufbahn im DFB jetzt Geschäftsführer des Ligaverbands DFL war, bewarb sich gegen Heinrich Schmidhuber um das Amt des Schatzmeisters. Eine äußerst schwierige Situation, die noch einmal das ganze Konstrukt zu Fall bringen konnte. Bei allen Verdiensten von Wilfried Straub – seine Kandidatur musste die Landesverbände, besonders die im Süden, provozieren. Es blieb mir nichts anderes übrig, als in intensiven Gesprächen mit allen Landesverbänden, die ja deutlich mehr Stimmen hatten als die Profis, die Wahl von Schmidhuber zu sichern.
Dass ich mich damit gegen einen verdienten Mann wie Wilfried Straub stellen musste, tat mir leid, war aber nicht zu vermeiden. Die Wahl von Straub hätte nach der schwierigen Geburt der Doppelspitze den Verband in seinen Grundfesten erschüttert und eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Profis und Amateuren nahezu unmöglich gemacht. Das konnte keiner wollen. Durch meine klare Positionierung für Schmidhuber wurde auch der Liga klar, dass es keinen Sinn hatte, ihren Mann in ein aussichtsloses Gefecht zu schicken. Wilfried Straub zog seine Kandidatur zurück, der Wahl Heinrich Schmidhubers stand nichts mehr im Wege.
Mir kam auch noch einmal die massive Kritik an der Doppelspitze in den Sinn. Aber was wollten die Leute denn eigentlich? Der DFB durfte sich auf einen Rund-um-die-Uhr-Präsidenten freuen. MV s Tage beginnen in der Regel nach der Mittagszeit und enden bisweilen erst morgens um vier. Bei mir fängt der Tag an, wenn es Morgen ist, und er endet, wenn der Abend kommt. Auf meine Nachtruhe verzichte ich höchst ungern. So war dafür gesorgt, dass 24 Stunden am Tag mindestens einer der beiden Präsidenten verfügbar war.
Was hätten wohl unsere Vorgänger zu den neuen Entwicklungen gesagt? Professor Ferdinand Hueppe, ein Mediziner aus dem Rheinland, der von 1900 bis 1904 als erster DFB -Präsident amtierte. Die Erinnerung an ihn wird überschattet von seinen Veröffentlichungen zur »Rassehygiene« und seinen Sympathiebekundungen für das Naziregime in seinen letzten Lebensjahren. Als Historiker vor einigen Jahren diese Dinge öffentlich machten, führte das so weit, dass das nach ihm benannte Stadion in seiner Geburtsstadt Neuwied 2006 auf Stadtratsbeschluss umbenannt wurde. Hueppe und Felix Linnemann, der den DFB in den Jahren der Naziherrschaft führte, sollten später in unserer wissenschaftlichen Aufarbeitung über diese schreckliche Zeit in Deutschland noch eine Rolle spielen, wie auch Peco Bauwens, der erste Nachkriegs-Präsident, dessen Verhalten in jenen dunklen Jahren nie zweifelsfrei geklärt werden konnte.
Dann kam Hermann Gösmann, der Norddeutsche, in dessen Amtszeit die Bundesliga gegründet wurde und die großen Vereine die ersten Schritte in Richtung Profitum machten. Viel konnte ich mit all diesen Namen nicht verbinden, sie stammten aus einer anderen Zeit. Zum Saarländer Hermann Neuberger, der den
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