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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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vernünftigeren Ansatz. Sie hatten die Pflicht, darauf zu achten, dass die Kartenkäufer bei diesem völlig überbuchten Vorhaben WM 2006 nicht übervorteilt wurden. Den Verbraucherschützern war die Praxis der Optionstickets ein Dorn im Auge. In diesem Verfahren zahlten die Kunden im Voraus für Tickets, ohne zu wissen, ob und welche Karten sie schließlich erhielten. Die Diskussionen waren phasenweise schwierig, weil sie natürlich auch von Vorurteilen und von fehlendem Sachverstand auf der anderen Seite geprägt waren, aber wir einigten uns schließlich in einem Vergleich auf ein Rücktrittsrecht für die Kunden, die in diesem Falle ihre volle Einzahlung zurückerhalten sollten.
    Die Verbraucherschützer haben Fälle konstruiert, die wir in der Tat so nicht bedacht hatten. Was geschieht zum Beispiel, wenn der Besitzer einer personalisierten Eintrittskarte plötzlich krank wird und die Karte weitergeben will? Diese Personalisierung war neben einem Mittel gegen Schwarzhändler auch ein Instrument der Sicherheit; im Fall der Fälle wären wir in der Lage gewesen, jeden einzelnen Stadionbesucher unter die Lupe zu nehmen. Am Ende waren wir froh, dass dieser Ernstfall nicht eintrat. Es zeigte sich, dass manche gesetzlichen Bestimmungen auf ein solches Ereignis nicht unbedingt anzuwenden sind; einen Monopolisten, wie das im Fall der WM -Kartenvergabe die Fifa ist, kann man nun mal nicht mit den Maßstäben des Wettbewerbs messen. Im Endeffekt haben wir aus diesen Diskussionen gelernt, und die andere Seite auch.
    Ein bitteres Nachspiel hatte die WM 2006 dann doch. Ein freier Mitarbeiter des DFB , der im Ticketing tätig war, wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, gemeinsam mit der Ticketagentur CTS Eventim rund 50 000 WM -Eintrittskarten zu überhöhten Preisen auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. Wir haben davon nichts gemerkt, denn unsere Erlöse haben ja gestimmt; dem DFB ist deshalb auch kein Schaden entstanden.
    Wir können offenbar auch mit noch so intensiven Kontrollmechanismen nicht völlig ausschließen, dass sich kriminelle Energie Bahn bricht. Das Beispiel zeigt aber auch, dass die deutsche Strafgesetzgebung bis heute kaum in der Lage ist, Korruption außerhalb des Amtsträgerbereiches strafrechtlich wirkungsvoll zu verfolgen. Die Staatsanwaltschaft tut sich bis heute schwer, zu einer Anklageschrift zu kommen, weil es zu dieser auf den ersten Blick schlimmen kriminellen Handlung keinen Straftatbestand gibt. Wer ist der Geschädigte? Nicht der DFB , denn der hat ja sein Geld bekommen. Auch nicht die Käufer der überteuerten Tickets, denn die wussten ja, dass es billigere Karten gibt, und haben sich ganz bewusst auf dem Schwarzmarkt bedient. Wir haben diesen Mitarbeiter natürlich entlassen, doch ohne ein auf solche Fälle zugeschnittenes »Schwarzmarktgesetz« ist es äußerst schwer, ihn strafrechtlich zu belangen.
    Im Rückblick erscheint es mir, als seien die Belastungen, die nach 2006 auf mich zukamen, nur Bagatellen gewesen im Vergleich zu den Ereignissen im Vorfeld der WM . In den wenigen Jahren, seit ich als Schatzmeister ins Präsidium aufgerückt war, hatte ich im Organisationskomitee, mit meiner Wahl zum geschäftsführenden DFB -Präsidenten, in der Schiedsrichteraffäre und in den Auseinandersetzungen mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann, über die noch zu berichten sein wird, so viel erlebt, dass ich mir kaum vorstellen konnte, wie es noch heftiger kommen könnte.
    Weit gefehlt, zur Ruhe kam ich auch in den folgenden Jahren nicht.

11.
    »Schau’n mer mal«: Die Wahl der Doppelspitze 2004 ↵
    Mitten in die hektischen Zeiten der sportlichen und organisatorischen WM -Vorbereitung fiel der DFB -Bundestag, auf dem die Doppelspitze gewählt werden sollte. Am Vorabend dieses 23. Oktober 2004 gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Normalerweise denke ich wenig über Belastendes oder auch Erfreuliches nach. Ich kann durchaus Stress und Hektik ertragen, ungewöhnliche Situationen und (noch) ungelöste Probleme, kritische oder positive Kommentare. Ich gehe abends ins Bett und schlafe tief und lang. Grübeln ist nicht mein Fall.
    Doch diesmal war es anders. Ich war sehr gerne Schatzmeister und hätte dieses Amt gern weiter ausgefüllt. Aber nun sollte ich nach nur drei Jahren Geschäftsführender Präsident des Verbands werden, der mir so ans Herz gewachsen war. Würde ich der Aufgabe gerecht werden? Am Selbstvertrauen mangelte es mir nicht, und die Unterstützung meiner Freunde bestärkte mich.

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