Die Zwanziger Jahre (German Edition)
Beklagte wollte aber auch aus objektiver Sicht, wie sich aus seinen zurückhaltenden Äußerungen ergibt, nicht konkrete Handlungen des Klägers (Amerell) beurteilen, sondern Abhängigkeitsverhältnisse vergleichen und die jeweilige psychische Situation, speziell den ausdrücklich angesprochenen Mut der Opfer.«
So wenig Amerell seiner Verantwortung gegenüber einem Abhängigen gerecht wurde, so sehr entbehrte Horenis Schilderung der Zusammenhänge journalistischer Präzision und Sorgfaltspflicht.
Amerells Kampagne ging weiter. Er nutzte seine Insiderkenntnisse und hetzte seinem ehemaligen Freund die Steuerfahndung auf den Hals. Es wäre kein Problem gewesen, belastendes Material gegen Kempter dem DFB zuzuleiten und dem Verband die Möglichkeit einer sorgfältigen Prüfung zu geben. Denn natürlich gelten auch für Kempter die gleichen Voraussetzungen wie für alle seine Kollegen. Alle Verfehlungen, die Amerell auf den Markt brachte, mussten der DFB , der Schiedsrichterausschuss und der Kontrollausschuss genauso prüfen wie jedes andere pflichtwidrige Verhalten eines Spielers oder Schiedsrichters.
Amerell war es aber wohl nicht wichtig, dass es zu dieser Prüfung kam, vielmehr hat er alle diese Fälle mit großem publizistischem Aufwand unter Einsatz seiner sportjournalistischen Helfer in der Öffentlichkeit ausgebreitet. Damit stiftete er eine mediale Verwirrung, in der eine sorgfältige juristische Prüfung nicht möglich ist. Ob Kempter sich schuldig gemacht hat, weiß ich nicht, das müssen andere prüfen. Selbst wenn ihm das Fehlverhalten, dessen ihn Amerell beschuldigt, nachgewiesen wird, kann das nicht bedeuten, dass er nie wieder pfeifen darf. Eine solche Entscheidung käme einem Berufsverbot gleich. Schließlich verdient ein Bundesliga-Schiedsrichter ganz gut an seinem Nebenjob; pro Spiel erhält er rund 4000 Euro. Ich halte es für richtig, dass die Schiedsrichterkommission und ihr neuer Vorsitzender Herbert Fandel Kempter ab der Saison 2012/2013 wieder in den oberen Amateurklassen pfeifen lassen, und ich habe mich sehr darüber gefreut, als ich hörte, dass er sein erstes Spiel am 18. August 2012 gut über die Bühne brachte.
Aber nicht alle im DFB handeln konsequent. So ist Manfred Amerell bisher nicht vor das DFB -Sportgericht zitiert worden, obwohl eine fertige Anklageschrift gegen ihn vorliegt. Umso erstaunlicher, wenn man sieht, wie der Kontrollausschuss ansonsten jeden Büchsenwurf und jedes Trikotvergehen gnadenlos ahndet und – zu Recht – auf Sauberkeit und Korrektheit allergrößten Wert legt. Der Verband sollte alsbald tätig werden, sonst drängt sich der Verdacht auf, dass der Fall unter den Teppich gekehrt werden soll. Der für Rechtsfragen zuständige Vizepräsident Rainer Koch muss den Kontrollausschuss anweisen, die fertige Anklage dem Sportgericht vorzulegen. Einen Mann wie Amerell, der im Umgang mit jungen Männern seine Pflichten als Obmann verletzt hat, muss verboten werden, beim DFB und seinen Mitgliedsverbänden zumindest auf absehbare Zeit erneut eine verantwortliche Funktion auszuüben. Nach aktuellem Stand könnte er jederzeit in einem unserer Vereine als Jugendleiter tätig werden. Bei Amtsmissbrauch darf ein Sportverband nicht taktieren.
Rainer Koch hatte ja bekanntlich in jener Präsidiumssitzung 2007 die Verantwortung für Amerell übernommen. Als dann drei Jahre später die schweren Vorwürfe gegen seinen bayerischen Spezi ruchbar wurden, hatte Koch nichts Eiligeres zu tun, als seine Zuständigkeit für das Schiedsrichterwesen im DFB -Präsidium wieder abzugeben, auf die er einst so erpicht gewesen war. Den Vorwand lieferte ihm Volker Roth, der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses. Der hatte Koch im Februar 2010 offenbar über die Vorwürfe gegen Amerell nicht als Ersten informiert. »Dass diese grobe Pflichtverletzung nicht geahndet werde, sei für ihn, so Koch, völlig unverständlich und er fühle sich auch vom DFB alleine gelassen«, informierte er den stellvertretenden Generalsekretär.
Doch für den Skandal, der sich in seiner Zuständigkeit abspielte, hat Koch, der wegen seines unbändigen Machtstrebens von Kollegen aus den Landesverbänden den Spitznamen »Einundzwanziger« erhielt, zumindest die sportpolitische Verantwortung zu tragen, selbst wenn er Einzelheiten von Amerells Verhalten nicht gekannt haben wird. Statt aber intensiv und nachhaltig aufzuklären, entledigte er sich seiner Aufgabe und verschwand. Um in neuer Rolle wieder aufzutauchen als der
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