Die Zwanziger Jahre (German Edition)
zusammensetzten, allerdings haben wir in diesem Gespräch offenbar aneinander vorbeigeredet. Oliver Bierhoff und unsere Rechtsabteilung kannten alle Details der Vertragsentwürfe, Joachim Löw und ich nicht. Ich wusste nur mit Sicherheit, dass die finanziellen Forderungen das sprengten, was ich mit Joachim Löw nach meinem Empfinden stillschweigend vereinbart hatte. Ich war davon ausgegangen, dass wir über eine Gehaltserhöhung von vier bis fünf Prozent für Löw und sein Team reden würden. Wie hätte ich den Millionen Amateurfußballern und Ehrenamtlern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erklären sollen, dass wir die ohnehin sehr gut dotierten Verträge nochmals deutlich aufstockten? Ich setzte aber voraus, dass auch Joachim Löw die Zahlen im Entwurf kannte, doch er dachte, es handele sich um eine ganz normale Vertragsverlängerung – zu leicht verbesserten Konditionen.
Ich habe dann ein neues Angebot gemacht, das Gehaltserhöhungen auf der Grundlage des bisherigen Vertrags vorsah und das von Wolfgang Niersbach und mir bereits unterschrieben war, und es bis zur Präsidiumssitzung vier Tage später, am 3. Februar, befristet. Wir waren unter Zeitdruck: Die nächste Sitzung des DFB -Präsidiums wäre erst Ende März gewesen, also mehr als einen Monat später, so lange wollte ich die Sache nicht köcheln lassen. Was ich gut gemeint hatte, fasste Löw als Ultimatum auf. Hinzu kam, dass am Tag der Präsidiumssitzung die »Bild«-Zeitung Details aus unserem Vertragsangebot veröffentlichte, was Löw und Bierhoff als gezielte Indiskretion auffassten. Ich weiß bis heute nicht, wer »Bild« diese Informationen zugespielt hat, ich war es jedenfalls nicht.
Ich hätte spätestens in diesen vier Tagen vor der Präsidiumssitzung einfach den Bundestrainer anrufen müssen, und wir hätten schnell festgestellt, dass wir von unterschiedlichen Dingen redeten. Ich war empört über die Forderungen in dem Vertragsentwurf, den Löw in dieser Dimension nicht kannte, und er ging davon aus, dass man ihn unter Druck setzen wollte. Im Gegenzug ließ er verlauten, den Handschlag-Vertrag im Dezember habe es nicht gegeben, und es seien auch sonst zahlreiche Unwahrheiten im Umlauf. Oliver Bierhoff trug dem Präsidium dann seinen Standpunkt vor, seine Vorschläge fanden wie erwartet keine Zustimmung. So konnten wir zu keinem Ergebnis kommen. Am Ende einigten wir uns darauf, die Vertragsverlängerung auf Eis zu legen. Vor der WM im Sommer, so lautete der Beschluss, würden wir nicht mehr verhandeln.
Wir trafen uns anschließend zu einem »Friedensgipfel«, wie die Zeitungen solch ein Versöhnungsgespräch gern titulieren. Ich entschuldigte mich für die von mir verschuldeten Kommunikationspannen, Löw versicherte, er habe mich nicht der Lüge bezichtigen wollen, und Bierhoff räumte ein, dass er mit seinem Vertragsentwurf deutlich übers Ziel hinausgeschossen war. Damit war ein Burgfriede geschlossen, aber die Missstimmung zwischen den Beteiligten schwelte noch eine ganze Weile weiter.
Erst Wolfgang Niersbach hat Joachim Löw im Februar in einem Vieraugengespräch in Warschau am Rande der Auslosung für die Qualifikationsgruppen zur nächsten EM klargemacht, was tatsächlich in diesen Verträgen drinstand. Löw rief mich noch am selben Abend an und versicherte mir, dass er diese Details nicht kannte und sie auch nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Er rief sein Team zu einem Treffen zusammen, und wir stellten gemeinsam fest, dass wir aneinander vorbeigeredet hatten.
Ich erklärte, dass ich die Missverständnisse auf meine Kappe nehme, weil sie mein Fehler waren, und dass wir eine öffentliche Diskussion vermeiden sollten. Wir brauchten einen starken Bundestrainer für die bevorstehende Weltmeisterschaft, der Präsident spielte da nur eine Nebenrolle. Schließlich hatte ich durch die Handschlag-Episode den Stein erst ins Rollen gebracht und auch in der Folge nicht glücklich agiert. Solche Fehler darf man sich im Spitzenfußball nicht leisten.
Immerhin war mein Verhältnis zu Joachim Löw und Oliver Bierhoff nach dieser Aussprache wieder repariert. Joachim Löw ist zweifelsfrei der charakterstärkste Bundestrainer, den ich erlebt habe. Ihm geht es um die Entwicklung der Spieler, um eine erfolgreiche Spielkultur der Nationalmannschaft. Fragen von Macht und Geld sind für ihn eher nebensächlich; als sein Vertrag dann nach der WM schließlich verlängert wurde, mussten wir ihn regelrecht überreden, einen angemessenen Aufschlag auf
Weitere Kostenlose Bücher