Die Zwanziger Jahre (German Edition)
sein bisheriges Gehalt zu akzeptieren.
Von Oliver Bierhoff war ich etwas enttäuscht. Er hatte einen bekannten Sportanwalt zur Unterstützung bei der Vertragsgestaltung engagiert, und der musste wohl etwas liefern für sein Geld. So hat er Forderungen zu Papier gebracht, die an die Grenzen und darüber hinausgingen. Bierhoff mag gedacht haben, man könne ja mal ausloten, was geht. Den Zeitdruck, unter dem wir standen, hat er dabei unterschätzt.
Ich kannte Oliver Bierhoff am längsten von allen wegen seiner engen Verbindung zu Egidius Braun, habe ihn immer als »meinen Mann« gesehen. Deshalb war es mir besonders wichtig, unser Verhältnis wieder in Ordnung zu bringen. Das geht nicht an einem Tag, aber der Prozess hat auch nicht sehr lange gedauert. Dafür war und bin ich Oliver Bierhoff menschlich viel zu sehr verbunden, wie ich es an anderer Stelle schon deutlich ausgedrückt habe.
Heute kann ich sagen, dass der größte Konflikt meiner Präsidentenlaufbahn im DFB mit unseren wichtigsten sportlichen Köpfen im Verband sauber gelöst wurde und nichts hängen geblieben ist.
21.
»Ich wünsche mir ein wenig Respekt«:
Abschied auf Raten ↵
Die Sache mit der verpatzten Vertragsverlängerung hat mir viel Kritik eingebracht und mich sehr beschäftigt. Neben all den Dingen, die mich in dieser Zeit auf Trab hielten, ging mir im Frühjahr 2010 auch die Frage durch den Kopf: Musst du dir das noch weiter antun? Ich habe viele Interessen, der kleine Fußball und die Projekte, die nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit liegen, interessieren mich mindestens genauso sehr wie die Bundesliga und die Nationalmannschaft. Ich hatte auch das Gefühl, dass vieles von dem, was ich erreichen wollte, verwirklicht war. Das gesellschaftliche Ansehen des DFB hatte sich verbessert, das soziale Engagement war verstetigt, wir hatten eine erfolgreiche Nachwuchsförderung, der Frauenfußball hatte sich entwickelt. Was also noch anfangen? Habe ich weitere Visionen, für die es sich zu arbeiten lohnt?
In den sechs Jahren meiner Präsidentschaft hatte ich eine Menge Kraft gelassen. Deshalb beriet ich mich zu Ostern 2010 mit meiner Familie und Freunden. Wir waren uns schnell einig, dass die WM in Südafrika ein krönender Abschluss meiner Amtszeit sein könnte. Und so entschloss ich mich, danach nicht ein weiteres Mal als DFB -Präsident zu kandidieren. Da ich aber die WM -Vorbereitung nicht stören wollte, weil eine solche Ankündigung unweigerlich eine öffentliche Diskussion ausgelöst hätte, weil ich aber auch vermeiden wollte, dass man meinen Rücktritt mit dem sportlichen Ausgang der WM in Verbindung bringen würde, entschied ich mich an Ostern2010 , einen Brief an den Generalsekretär und an das Präsidium des DFB zu schreiben und bei einem Notar in Diez zu hinterlegen:
»Liebe Hannelore [Ratzeburg, DFB -Vizepräsidentin], liebe Freunde, das Leben besteht aus vielen unterschiedlichen Abschnitten, die mal kürzer oder länger dauern, erfreulich oder auch weniger erfreulich verlaufen. Soweit möglich, war es für mich immer sehr wichtig, mir die Freiheit zu bewahren, auch das Ende schöner Lebensabschnitte selbst zu bestimmen.
So ist es jetzt an der Zeit, Abschied zu nehmen vom Amt des DFB -Präsidenten. Ich werde auf dem Bundestag im Oktober nicht mehr kandidieren. Die ersten Monate des Jahres haben mich viel Kraft gekostet, mich auch enttäuscht und sehr verletzt. Vertrauen ist verloren gegangen, das nicht einfach wieder aufgebaut werden kann, gerade bei Teilen der Medien.
Es ist einfach Zeit zu gehen. Ich werde in Kürze 65 Jahre alt und will dementsprechend meine Lebensgestaltung, soweit sie in meiner Macht liegt, ein Stück neu orientieren.
Ich habe große Sehnsucht nach weniger Öffentlichkeit und mehr Privatem. Jeder weiß, wie sehr ich mit meiner Familie verbunden bin und mich über meine drei tollen Enkelkinder freue. Wir alle brauchen kein öffentliches Amt. Natürlich werde ich dem Fußball verbunden bleiben, denn Sport ist ein großer Teil meines Lebens.
Es wird mir weiter um den ›kleinen Fußball‹ gehen, der in Wirklichkeit der ›große‹ ist, die Amateure, das Ehrenamt, die Kinder, besonders die Mädchen.
Gerne bin ich auch bereit, Repräsentationsaufgaben für den DFB und seine Landesverbände im sozial-gesellschaftlichen Bereich zu übernehmen, über den internationalen Teil müssen wir selbstverständlich sprechen.
Diese Entscheidung zu treffen ist das Eine, sie bekanntzugeben, d. h., den richtigen
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