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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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Zeitpunkt zu finden, ist weitaus schwieriger.
    Im Moment bin ich sehr erleichtert, weiß aber auch, dass ich mit diesem Schritt die WM -Vorbereitung nicht belasten darf. Andererseits muss klar sein, dass mein Entschluss völlig unabhängig vom WM -Verlauf getroffen wurde.
    Ich habe mich deshalb entschlossen, diesen Brief in diesem Monat bei einem Notar zu hinterlegen. Sobald die deutsche Mannschaft aus dem Turnier ausgeschieden ist (hoffentlich erst nach dem Endspiel mit dem Pokal in der Hand), wird der Notar meine Anordnung ausführen und diesen Brief im Original dem DFB -Generalsekretär, meinem Freund Wolfgang Niersbach, zuleiten.
    Ich weiß, dass ich mit meinem Schritt auch Menschen enttäusche. Ich wünsche mir einfach ein wenig Respekt, vielleicht auch Verständnis und Zustimmung.
    Ich freue mich auf einen neuen Lebensabschnitt, danke allen, besonders Egidius Braun und seiner lieben Frau Marianne, die mich gefördert und unterstützt haben, und wünsche Euch eine gute Zeit und glückliche Hand.
    Euer Theo Zwanziger«
    Presse und Öffentlichkeit gingen weiter davon aus, dass das Verhältnis zwischen Bundestrainer Löw und mir durch die vorläufig gescheiterten Vertragsverhandlungen gestört war und fragten sich besorgt, ob dadurch das Auftreten unserer Nationalmannschaft bei der WM belastet würde. Auch die Tatsache, dass Joachim Löw für die Zeit nach der WM noch keinen Vertrag hatte, hielt so mancher für heikel. Dabei hat man doch jüngst bei der EM in Polen und der Ukraine gesehen, dass eine Vertragsverlängerung vor einem Turnier bestenfalls als Vertrauensbeweis dient, aber keine Garantie bedeutet: Die Trainer Frankreichs und der Niederlande hatten kurz vor dem Turnier längerfristige Verträge bekommen, aber nach dem schlechten Abschneiden ihrer Teams waren sie nicht mehr zu halten.
    Mein Verhältnis zu Joachim Löw war während der WM jedenfalls nicht belastet. Unser Umgang war der gleiche wie bei der EM 2008. Ich habe darauf geachtet, dass Trainer und Mannschaft in Ruhe arbeiten konnten und sich die Mitglieder der DFB -Delegation möglichst wenig einmischten. Nichts ist schlimmer für einen Trainer, als wenn wenige Stunden vor dem Anpfiff ständig jemand fragt: Wer spielt denn nun?
    Wir wohnten mit der Delegation natürlich nicht im Mannschaftshotel, fuhren aber gelegentlich zum Abendessen dorthin. Zudem haben wir die Spiele besucht und repräsentative Aufgaben wahrgenommen. Vor allem haben wir unsere guten Beziehungen zu den Südafrikanern gepflegt – die hatten ja noch nicht vergessen, dass sie 2000 bei der Vergabe der WM 2006 gegen uns unterlegen waren. Wir haben erlebt, wie wichtig der Fußball in den Townships sein kann, um den jungen Menschen Lebensperspektiven zu geben. Afrika braucht den Fußball wohl noch nötiger als Europa. Dennoch haben wir am Ende wenig über die Lebenswirklichkeit der Südafrikaner erfahren, denn aus Sicherheitsgründen waren wir bei unseren Ausflügen stets von zahlreichen Aufpassern abgeschirmt.
    Aber eigentlich stand ja der Fußball im Mittelpunkt. Unsere Mannschaft bereitete uns sehr viel Freude, auch wenn wir uns nach der Niederlage gegen Serbien im zweiten Gruppenspiel ein paar Sorgen machten. Nach dem für das Weiterkommen entscheidenden Sieg gegen Ghana und vor allem nach den Triumphen gegen England (4:1) und Argentinien (4:0) war auch ich in der Kabine und habe Mannschaft und Trainer beglückwünscht. Danach sind wir erst spät in der Nacht ins Quartier zurückgekommen. Auch im verlorenen Halbfinalspiel gegen den späteren Weltmeister Spanien (0:1) hat unsere Mannschaft gut gespielt, aber sie war der Spielweise der Spanier eben doch nicht ganz ebenbürtig, weshalb es dann nur zum »kleinen Finale« gereicht hat.
    Wir haben uns gefreut, dass der damals neu gewählte Bundespräsident Christian Wulff zu Besuch kam und an der Abschluss-Pressekonferenz teilnahm. Das Spiel um den dritten Platz wurde noch einmal zu einem Höhepunkt des Turniers, weil sich unsere Mannschaft wie schon 2006 von der Halbfinal-Niederlage nicht umhauen ließ und gegen Uruguay wieder eine Topleistung ablieferte. Kurz vor Schluss sicherte Sami Khedira unseren 3:2-Sieg. Wir gingen also wie 2006 mit einem Erfolgserlebnis aus dem Turnier, was für die Emotionen in der Heimat sehr wichtig war.
    Deshalb war es keineswegs in meinem Sinn, dass die Spieler einen öffentlichen Empfang nach der Heimkehr ablehnten. Sie waren einfach sehr enttäuscht, dass sie das Finale verpasst hatten, wie es in den

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