Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)
heulten auf, und die Maschine vibrierte noch heftiger. Der Pilot drückte die Gashebel nach vorn, und es ging los.
Alice presste die Nase ans Fenster. Der Flughafen zog vorüber, und plötzlich empfand sie ein unbekanntes Gefühl, die Räder hatten sich vom Boden gelöst, das Flugzeug schwebte in der Luft und stieg langsam höher. Und je mehr die Maschine an Höhe gewann, desto winziger wurden die Felder, Wiesen und Bauernhöfe unter ihnen.
»Das ist wundervoll«, sagte Alice, »glauben Sie, wir durchqueren die Wolken?«
»Das wünsche ich uns«, sagte Daldry und schlug seine Zeitung auf.
Auf das Festland folgte bald das Meer. Alice hätte gerne die Wellenkämme gezählt, die sich auf dem unendlichen Blau abzeichneten.
Der Pilot erklärte, sie würden sich nun der französischen Küste nähern.
Der Flug dauerte insgesamt knapp zwei Stunden. Paris kam in Sicht, und Alice wurde noch aufgeregter, als sie meinte, in der Ferne den Eiffelturm auszumachen.
Der Zwischenstopp in Orly war kurz. Ein Angestellter der Fluggesellschaft führte Alice und Daldry über das Rollfeld zu einer anderen Maschine. Alice hörte nicht zu, was Daldry ihr erzählte, sie dachte nur an den nächsten Start.
Der Air-France-Flug von Paris nach Wien war unruhiger als der von London in die französische Hauptstadt. Alice amüsierte sich köstlich, wenn sie auf ihrem Sitz durchgeschüttelt wurde, sobald sie in Turbulenzen gerieten. Daldry schien es weniger gut zu gehen. Nach einem üppigen Mittagessen zündete er sich eine Zigarette an und bot auch Alice eine an, die aber ablehnte. In eine Modezeitschrift vertieft, träumte sie beim Anblick der letzten Kollektionen der Pariser Haute Couture. Sie bedankte sich zum x-ten Mal bei Daldry und versicherte ihm, nie hätte sie sich vorstellen können, so etwas zu erleben, und nie sei sie glücklicher gewesen. Daldry erwiderte, das bereite ihm große Freude, und bat sie, sich ein wenig auszuruhen, abends würden sie in Wien essen gehen.
Österreich war schneebedeckt. Die weißen Bergketten schienen sich unendlich weit hinzuziehen, und Alice war beeindruckt von ihrer Schönheit. Daldry hatte einen guten Teil des Flugs verschlafen und wachte erst auf, als sich die DC -4 im Landeanflug befand.
»Bitte sagen Sie mir, dass ich nicht geschnarcht habe«, flehte er, als er die Augen öffnete.
»Nicht so laut wie der Motorenlärm«, entgegnete Alice und lächelte.
Die Räder setzten auf, und die Maschine rollte zu einem Hangar. Eine Fluggasttreppe wurde herangeschoben, damit die Passagiere aussteigen konnten.
Mit einem Taxi fuhren sie ins Stadtzentrum. Daldry gab dem Fahrer als Ziel das Hotel Sacher an. Als sie sich dem Heldenplatz näherten, geriet vor ihnen auf dem Glatteis ein Lieferwagen ins Schleudern und kippte um.
Der Taxichauffeur konnte gerade noch ausweichen. Die Fußgänger eilten dem Fahrer des Lieferwagens zu Hilfe, der unverletzt aus seiner Kabine stieg, der Verkehr aber war blockiert. Daldry warf wiederholt einen Blick auf seine Uhr und murmelte zu Alices Befremden: »Wir kommen zu spät.«
»Wir sind knapp einem Unfall entronnen, und Sie sorgen sich um die Zeit?«
Ohne sie weiter zu beachten, bat Daldry den Taxifahrer, eine Möglichkeit zu finden, um sie aus diesem Stau zu befreien. Doch der Mann sprach kein Englisch und begnügte sich damit, die Schultern zu zucken und auf das Durcheinander vor ihnen zu deuten.
»Wir kommen zu spät!«, wiederholte Daldry noch einmal.
»Aber wohin kommen wir denn zu spät?«, fragte Alice.
»Das sehen Sie schon noch – vorausgesetzt, wir bleiben nicht die ganze Nacht hier stecken.«
Alice öffnete die Tür und stieg wortlos aus dem Taxi.
»Na wunderbar, jetzt ist sie auch noch beleidigt«, rief Daldry und kurbelte die Scheibe herunter.
»Und Sie sind ganz schön dreist! Schließlich meckern Sie ständig, ohne mir zu erklären, warum Sie so ungeduldig sind.«
»Weil ich es nicht sagen will, das ist alles.«
»Nun, wenn Sie es sich anders überlegt haben, dann steige ich auch wieder ein.«
»Alice, seien Sie nicht kindisch und setzen Sie sich wieder! Sie werden sich noch erkälten. Außerdem brauchen Sie die Lage nicht noch komplizierter zu machen, als sie es ohnehin schon ist. Heute ist wirklich mein Glückstag, dieser blöde Lieferwagen musste ausgerechnet genau vor uns umstürzen.«
»Welche Lage?«, fragte Alice, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Unsere, wir stecken in diesem Stau fest, dabei sollten wir schon dabei sein, uns im Hotel
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