Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)
Oper durch den Bühnenausgang.
»Was für ein Abend!«, rief Daldry auf dem Bürgersteig aus. »Ich würde gerne zu unserer Platzanweiserin zurückkehren und ihr sagen, dass der erste Akt wunderbar war!«
»Ein ungezogenes Kind! Wirklich ein ungezogenes Kind!«
»Ich habe Hunger!«, meinte Daldry daraufhin. »Diese kleine Eskapade hat meinen Appetit angeregt.«
Auf der anderen Seite der Kreuzung entdeckte er ein Wirtshaus, doch plötzlich fiel ihm auf, dass Alice erschöpft war.
»Was halten Sie von einem schnellen Abendessen im Hotel?«, schlug er vor.
Alice ließ sich nicht lange bitten.
Als sie gegessen hatten, ging jeder in sein Zimmer, und wie in London verabschiedeten sie sich auf dem Gang. Am nächsten Morgen um neun Uhr wollten sie sich in der Hotelhalle treffen.
Alice setzte sich an den kleinen Schreibtisch vor ihrem Fenster. In der Schublade fand sie Schreibutensilien, bewunderte die Qualität des Papiers und begann, einen Brief an Carol zu schreiben. Sie berichtete von ihren Reiseeindrücken und dem seltsamen Gefühl, das sie empfunden hatte, als sie sich von England entfernten. Sie beschrieb den unglaublichen Abend in Wien. Dann faltete sie das Blatt zusammen und warf es ins Feuer, das im Kamin ihres Zimmers knisterte.
Am nächsten Morgen trafen sich Alice und Daldry zur verabredeten Zeit. Ein Taxi brachte sie zum Wiener Flughafen, dessen Start- und Landebahnen bereits aus der Ferne zu erkennen waren.
»Ich sehe unser Flugzeug schon, und die Wettervorhersage ist gut. Wir werden also sicher pünktlich starten«, sagte Daldry, um die Stille zu durchbrechen, die seit ihrer Abfahrt herrschte.
Alice blieb schweigsam, bis sie den Terminal erreicht hatten.
Gleich nach dem Abflug schloss sie die Augen und schlief ein. Bei etwas stärkeren Turbulenzen glitt ihr Kopf auf die Schulter ihres Nachbarn. Daldry war wie erstarrt. Auf das Essenstablett, das ihm die Stewardess anbot, verzichtete er, um Alice nicht zu wecken. Im Tiefschlaf rutschte diese weiter auf ihn und legte die Hand auf seine Brust. Einen Moment lang glaubte Daldry, sie würde ihn rufen, doch es war nicht sein Name, den sie hauchte. Ihre Lippen öffneten sich, und sie sprach andere unverständliche Worte, bevor sie fast ganz auf seinen Schoß sank. Er hüstelte, doch nichts vermochte Alice aus ihren Träumen zu reißen. Eine Stunde vor der Landung schlug sie die Augen auf, und Daldry schloss die seinen und tat so, als würde auch er schlafen. Als sie bemerkte, in welcher Lage sie sich befand, errötete Alice. Doch dann stellte sie fest, dass Daldry eingenickt war, und flehte zum Himmel, er möge nicht aufwachen, während sie sich vorsichtig aufrichtete.
Sobald sie auf ihrem Platz saß, gähnte Daldry ausgiebig, streckte sich, schüttelte seinen schmerzenden linken Arm und erkundigte sich nach der Uhrzeit.
»Ich glaube, wir sind bald da«, sagte Alice.
»Ich habe von dem Flug gar nichts mitbekommen«, log Daldry und massierte seine Hand.
»Sehen Sie nur«, rief Alice, die Nase ans Fenster gedrückt, »Wasser, so weit das Auge reicht!«
»Ich nehme an, unter uns liegt das Schwarze Meer, ich hingegen sehe nur Ihre Haare.«
Alice lehnte sich zurück, um den Ausblick mit ihrem Nachbarn zu teilen.
»Wir werden tatsächlich bald landen, und ich habe nichts gegen die Vorstellung, meine Arme zu bewegen.«
Bald darauf lösten Alice und Daldry ihre Sicherheitsgurte. Beim Aussteigen dachte Alice an ihre Freunde in London. Sie war erst seit zwei Tagen unterwegs, doch ihr kam es vor wie zwei Wochen. Ihre Wohnung lag weit in der Vergangenheit, und als sie den Fuß auf türkischen Boden setzte, zog sich ihr Herz zusammen.
Daldry holte das Gepäck. Bei der Passkontrolle fragte der Zöllner sie nach dem Grund ihrer Reise. Daldry sah Alice an und antwortete dann, sie seien gekommen, um Alices künftigen Ehemann zu treffen.
»Ihr Verlobter ist Türke?«, fragte der Zöllner und betrachtete erneut ihren Pass.
»Um die Wahrheit zu sagen, wissen wir das noch nicht. Mag sein, dass er es ist, die einzige Gewissheit ist, dass er in der Türkei lebt.«
»Sie kommen in die Türkei, um einen Mann zu heiraten, den Sie nicht kennen?«, wollte der Beamte wissen.
Und ehe Alice antworten konnte, bestätigte Daldry, dass es sich genauso verhalte.
»Gibt es in England keine guten Ehemänner?«, fuhr der Mann fort.
»Wahrscheinlich doch«, gab Daldry zurück, »aber keinen, der dieser jungen Dame gefällt.«
»Und Sie, Sir, sind Sie auch gekommen, um in unserem
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