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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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britisch, und ich habe nie gehört, dass einer meiner Vorfahren mehr als hundert Meilen von unserer Küste entfernt gelebt hat. Meine Großtante Daisy ist die am weitesten entfernte – ich meine in geografischer Hinsicht –, sie lebt auf der Isle of Wight.«
    »Aber bei unserer Ankunft in Istanbul haben Sie mir erklärt, Sie würden ein Gefühl der Vertrautheit empfinden.«
    »Manchmal geht meine Fantasie mit mir durch. Seit Sie mir diese Reise vorgeschlagen haben, habe ich mich ständig gefragt, wie diese Stadt wohl sein möge, und ich habe mir den Katalog so oft angeschaut, dass sich mir die Bilder wohl eingeprägt haben.«
    »Ich habe ihn ebenfalls mehrmals durchgeblättert, und die beiden einzigen Fotos, die es gab, waren eines von der Hagia Sophia auf der Titelseite und eines vom Bosporus in der Mitte. Das hat nichts mit den Vororten zu tun, durch die wir auf dem Weg vom Flughafen gefahren sind.«
    »Finden Sie, dass ich türkisch aussehe?«, fragte Alice und lachte herzlich.
    »Für eine Engländerin haben Sie eine eher dunkle Haut.«
    »Das sagen Sie, weil Sie kreidebleich sind. Sie sollten sich übrigens etwas ausruhen, Sie sehen schlecht aus.«
    »Sehr charmant! Wenn Sie bei meiner hypochondrischen Veranlagung noch etwas mehr von meiner Blässe reden, bekomme ich hier mitten im Restaurant einen Schwächeanfall.«
    »Dann lassen Sie uns etwas an die frische Luft gehen. Ein kleiner Verdauungsspaziergang wird Ihnen guttun. Sie haben gefuttert wie ein Scheunendrescher.«
    »Was erzählen Sie da? Ich habe nur ein einziges Dessert gegessen …«
    Daldry und Alice liefen den breiten Boulevard entlang. Die Nacht schien die Stadt jetzt völlig eingehüllt zu haben, die Straßenlaternen spendeten nur wenig Licht, ließen höchstens das Pflaster glänzen. Als eine Straßenbahn vorbeifuhr, wirkte ihr Scheinwerfer in der Dunkelheit wie das Auge eines Zyklopen.
    »Morgen will ich versuchen, im Konsulat einen Termin für uns zu bekommen«, erklärte Daldry.
    »Warum?«
    »Um herauszufinden, ob Sie Familie in der Türkei haben oder ob Ihre Eltern je hier waren.«
    »Ich denke mal, davon hätte mir meine Mutter erzählt«, antwortete Alice. »Sie beklagte sich ständig, in ihrem Leben nur so wenig gereist zu sein. Sie hat mir immer gesagt, wie sehr ihr das fehlte. Und ich glaube, dieses Bedauern war ehrlich. Sie wäre gerne um die Welt gereist, ist aber anscheinend nie weiter als bis nach Nizza gekommen. Das war vor meiner Geburt. Mein Vater hatte sie zu einer romantischen Reise dorthin eingeladen. Es war eine unvergessliche Erinnerung für sie, und sie hat mir von Spaziergängen am azurblauen Meer berichtet, so als wäre es die schönste Reise überhaupt gewesen.«
    »Das ist für unsere Nachforschungen nicht gerade hilfreich.«
    »Daldry, ich versichere Ihnen, dass Sie Ihre Zeit vergeuden. Wenn ich hier Verwandte hätte, und seien sie noch so entfernt, dann wüsste ich es.«
    Sie bogen in eine Seitenstraße ein, die noch weniger erhellt war als der große Prachtboulevard. Alice betrachtete den baufälligen Erker eines Holzhauses, der kurz davor schien zusammenzubrechen.
    »Was für ein Jammer, dass dies alles nicht besser erhalten ist«, sagte Daldry und seufzte. »Früher müssen das wundervolle Paläste gewesen sein. Jetzt sind es nur noch Phantome vergangener Schönheit.«
    In der kühlen Abendluft bemerkte er Alices angespannte Züge. Ihr Blick war auf die geschwärzte Hausfassade gerichtet.
    »Was ist los? Man könnte meinen, Ihnen wäre die Heilige Jungfrau erschienen«, fragte er.
    »Ich habe dieses Haus schon gesehen, ich kenne diesen Ort«, murmelte Alice.
    »Sind Sie sich ganz sicher?«, fragte Daldry überrascht.
    »Vielleicht ist es nicht dieses hier, aber ein ganz ähnliches. Es taucht in jedem meiner Albträume auf und steht am Ende einer Gasse, von der aus eine große Treppe zu einem anderen Teil der Stadt führt.«
    »Ich würde unseren Spaziergang ja gerne fortsetzen, damit wir uns überzeugen können, aber ich glaube, es ist ratsam, den morgigen Tag abzuwarten. Diese Gasse verschwindet in einem wenig vertrauenerweckenden Dunkel, anscheinend wirklich eine gefährliche Ecke.«
    »Dann hörte ich Schritte«, fuhr Alice gedankenverloren fort, »wir wurden verfolgt.«
    »Wir? Mit wem waren Sie unterwegs?«
    »Ich weiß es nicht. Ich sehe nur eine Hand, die mich in eine grauenvolle Flucht hineinzieht. Gehen wir, Daldry, ich fühle mich nicht wohl.«
    Daldry hakte Alice unter und führte sie schnell zurück

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