Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)
ich scheitere, haben Sie Erfolg. Aber im Grunde zählt ja nur das Ergebnis. Ich hoffe, Sie sind glücklich?«
»Ja, und ich weiß noch immer nicht, wie ich Ihnen für all das danken soll, was Sie für mich tun.«
»Sie könnten damit beginnen, meine Strafe aufzuheben und mir ein kleines Gläschen zu erlauben. Nur eines, das verspreche ich.«
»Ein einziges? Habe ich Ihr Wort darauf?«
»Das Wort eines Gentlemans«, antwortete Daldry und eilte zur Bar.
Er kam mit einem Glas Champagner für Alice und einem randvollen Glas Whisky zurück.
»Das nennen Sie ein Gläschen?«, fragte Alice.
»Wieso, sehen Sie ein zweites?«, erwiderte Daldry mit Unschuldsmiene.
Das Orchester stimmte einen Walzer an, und Alices Augen begannen zu funkeln. Sie stellte ihr Glas auf dem Tablett eines Pagen ab und sah Daldry an.
»Gewähren Sie mir diesen Tanz? Bei dem Kleid, das ich trage, können Sie mir nichts abschlagen.«
»Es ist nur …«, stammelte Daldry und betrachtete sein Glas.
»Whisky oder Sissi, Sie müssen sich entscheiden.«
Voll Bedauern ließ Daldry sein Glas stehen, nahm Alice bei der Hand und zog sie auf die Tanzfläche.
»Sie tanzen gut«, sagte sie.
»Meine Mutter hat mir den Walzer beigebracht, das war ihr Lieblingstanz. Mein Vater hasste Musik, vom Tanzen ganz zu schweigen …«
»Also Ihre Mutter war wirklich eine hervorragende Lehrerin.«
»Das ist das erste Mal, dass Sie mir ein Kompliment machen.«
»Wenn Sie noch eines wollen: Der Smoking steht Ihnen hervorragend.«
»Komisch, das letzte Mal, als ich einen Smoking trug, war ich auf einer Abendveranstaltung in London – furchtbar langweilig übrigens. Dort traf ich zufällig eine alte Freundin, mit der ich einige Jahre zuvor regelmäßigen Umgang gepflegt hatte. Bei meinem Anblick rief sie aus, der Smoking stehe mir hervorragend, sie hätte mich beinahe nicht erkannt. Daraus schloss ich, dass meine normale Kleidung nicht gerade vorteilhaft sein musste.«
»Gab es schon jemanden in Ihrem Leben, Daldry, ich meine jemanden, der Ihnen sehr wichtig war?«
»Ja, aber ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«
»Warum? Wir sind Freunde, Sie können mir alles anvertrauen.«
»Unsere Freundschaft ist noch jung, und es scheint mir etwas zu früh für solche Geständnisse. Zumal dieses nicht wirklich von Vorteil für mich wäre.«
»Also hat sie Sie verlassen! Haben Sie sehr darunter gelitten?«
»Ich weiß nicht, vielleicht, ja, ich glaube.«
»Und denken Sie noch an sie?«
»Manchmal.«
»Warum sind Sie nicht mehr zusammen?«
»Weil wir es nie wirklich waren. Außerdem ist das eine lange Geschichte, und mir scheint, ich habe gesagt, dass ich nicht darüber reden möchte.«
»Davon habe ich nichts gehört«, sagte Alice und beschleunigte den Tanzschritt.
»Weil Sie mir nie zuhören, und wenn wir uns in diesem Tempo weiterdrehen, dann trete ich Ihnen noch auf die Füße.«
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie in einem so schönen Kleid und in einem so großen Saal getanzt, und noch weniger zu der Musik eines so eindrucksvollen Orchesters. Bitte lassen Sie uns so schnell drehen wie möglich.«
Daldry lächelte und zog Alice mit.
»Sie sind eine merkwürdige Frau, Alice.«
»Und Sie, Daldry, sind ein merkwürdiger Mann. Wissen Sie, als ich gestern allein spazieren gegangen bin, während Sie Ihren Rausch ausschliefen, bin ich an einer kleinen Kreuzung vorbeigekommen, die Sie begeistert hätte. Beim Überqueren habe ich mir sofort vorgestellt, dass Sie sie malen. Ein von zwei wundervollen Pferden gezogener Wagen, Straßenbahnen, die sich kreuzten, Dutzende von Taxis, ein altes amerikanisches Auto noch aus der Vorkriegszeit, überall Fußgänger und sogar ein Mann, der einen Handkarren schob. Sie hätten sich wie im siebten Himmel gefühlt.«
»Und Sie haben an mich gedacht, als Sie über diese Kreuzung gingen? Köstlich, wenn man bedenkt, welche Assoziationen eine Kreuzung bei Ihnen weckt.«
Der Walzer war zu Ende, und die Gäste applaudierten den Musikern und den Tänzern. Daldry steuerte auf die Bar zu.
»Nun sehen Sie mich nicht so an, das andere Glas zählt nicht, ich hatte kaum Zeit, daran zu nippen. Na gut, versprochen ist versprochen. Sie sind unmöglich.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Alice.
»Ich befürchte das Schlimmste.«
»Sollen wir einfach gehen?«
»Dagegen habe ich nichts einzuwenden, aber wohin?«
»Durch die Stadt spazieren.«
»In unserem Aufzug?«
»Ja gerade darum.«
»Sie sind noch verrückter, als ich
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