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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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dachte, aber wenn es Ihnen Freude macht, warum eigentlich nicht?«
    Daldry holte ihre Mäntel von der Garderobe, Alice wartete an der Freitreppe auf ihn.
    »Soll ich Sie zu besagter Kreuzung führen?«, schlug sie vor.
    »Ich bin sicher, dass sie nachts weniger interessant ist, sparen wir uns dieses Vergnügen für morgen auf. Lassen Sie uns lieber zum Tünel, der unterirdischen Standseilbahn, gehen und von dort zum Talbahnhof Karaköy am Goldenen Horn fahren.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie die Stadt so gut kennen.«
    »Ich auch nicht. Aber ich habe während der letzten beiden Tage so viel Zeit in meinem Zimmer verbracht und währenddessen immer wieder den Reiseführer auf meinem Nachtkästchen gelesen, dass mir jetzt alles geläufig ist.«
    Sie liefen durch das Beyoğlu-Viertel bis zur Standseilbahn, die das Viertel mit dem von Karaköy verband. Am kleinen Tünel-Platz angekommen, seufzte Alice und hockte sich auf ein Mäuerchen.
    »Vergessen wir den Spaziergang am Bosporus, und setzen wir uns lieber in das nächstbeste Lokal. Ich hebe Ihre Strafe auf, Sie können trinken, was Sie wollen. Ich sehe da hinten eine kleine Bar, etwas zu weit für meinen Geschmack, aber eine nähere gibt es anscheinend nicht.«
    »Was ist denn mit Ihnen los? Sie ist doch keine fünfzig Meter entfernt. Außerdem hätte ich es lustig gefunden, die Standseilbahn zu nehmen, es ist eine der ältesten der Welt. Aber warten Sie mal, haben Sie gerade gesagt, dass Sie meine Strafe aufheben? Woher kommt diese plötzliche Großzügigkeit? Ihre Schuhe drücken ganz fürchterlich, stimmt’s?«
    »Mit hohen Absätzen über Kopfsteinpflaster zu laufen ist eine Übung, die der chinesischen Folter gleichkommt.«
    »Stützen Sie sich auf meine Schulter. Wir fahren nachher mit dem Taxi nach Hause.«
    Die Atmosphäre in der kleinen Bar war ganz das Gegenteil von der in dem großen Empfangssaal der Botschaft. Hier spielte man Karten, man lachte, sang, stieß auf die Freundschaft an, ebenso wie auf die Gesundheit eines Verwandten, den vergangenen Tag oder den kommenden, an dem die Geschäfte sicher besser laufen würden, auf den Winter, der in diesem Jahr besonders mild war, auf den Bosporus, der seit jeher das Lebenselixier der Stadt war. Man schimpfte auf die Dampfschiffe, die zu lange am Kai lagen, auf die hohen Preise, die ständig weiter stiegen, die streunenden Hunde, die die Viertel am Stadtrand bevölkerten, auf die Stadtverwaltung, weil wieder eine Stadtvilla aus Holz abgebrannt war und das kulturelle Erbe sich zugunsten der gewissenlosen Immobilienhaie in Schall und Rauch auflöste. Und dann stieß man erneut an, auf die Brüderlichkeit, den Großen Basar, den die Touristen wieder besuchten.
    Als sie die beiden Fremden in Abendkleidung eintreten sahen, unterbrachen die Männer an den Tischen kurz ihr Kartenspiel. Doch Daldry war das völlig gleichgültig. Er wählte einen gut sichtbaren Tisch und bestellte zwei Raki.
    »Alle starren uns an«, flüsterte Alice.
    »Alle sehen Sie an, meine Liebe. Tun Sie, als wäre nichts, und trinken Sie.«
    »Glauben Sie, meine Eltern sind durch diese kleinen Gassen gelaufen?«
    »Wer weiß? Es ist durchaus möglich. Vielleicht erfahren wir ja morgen mehr.«
    »Ich stelle mir gerne vor, dass die beiden hier waren und ich jetzt auf ihren Spuren wandle. Vielleicht haben auch sie entzückt das Panorama von den Höhen oberhalb des Beyoğlu-Viertels aus bewundert. Vielleicht sind sie über die gepflasterten Gassen um die alten Weinstöcke von Pera gelaufen oder Hand in Hand am Bosporus entlang … Ich weiß, das ist albern, aber sie fehlen mir.«
    »Das ist nicht albern. Ich muss Ihnen etwas gestehen: Meinem Vater nicht mehr die Schuld an all dem Chaos in meinem Leben zuschieben zu können ist auch für mich schwer zu ertragen. Ich habe nie gewagt, Sie zu fragen, wie …«
    »Wie sie gestorben sind? Es war an einem Freitagabend im September 1941, am fünften genau gesagt. Wie jeden Freitag bin ich zum Abendessen zu ihnen gegangen. Zu jener Zeit wohnte ich in einem kleinen Apartment im Stockwerk über ihnen. Ich unterhielt mich im Wohnzimmer mit meinem Vater, meine Mutter hatte sich hingelegt, weil sie einen furchtbaren Schnupfen hatte. Plötzlich heulten die Sirenen. Papa befahl mir, in den Luftschutzkeller zu laufen, er wollte Mama helfen, sich anzuziehen, und dann gleich nachkommen. Ich wollte auch bleiben, um zu helfen, aber er drängte mich zu gehen, ich sollte unten einen Platz suchen, an dem Mama es sich

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