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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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Satz auf das Dach zurück.
    Ich lehnte mich über den Abgrund, um das weitere Geschehen zu verfolgen: Ein Mann kam aus der Tür gestürzt, sah sich nach allen Seiten um und beugte sich dann über Susanna. Ich zog mich zurück und setzte mich auf die Dachziegel.
    Was würde wohl passieren?
    »Nichts«, antwortete ich mir selbst mit Überzeugung.
    Susanna hatte jetzt eine Geschichte, die niemand glauben würde, genau wie Giada auch. Vielleicht würde sie sogar selber denken, dass sie nur umgekippt war, oder dass jemand sie auf der Straße überfallen und sie das Bewusstsein verloren hatte, und dass alles andere nur ein Traum war, eine schreckliche Halluzination. Allerdings passten in dieses Bild weder die staubigen Kleider noch die Kratzer an ihren Armen.
    Aber was hätte sie mir schon anhaben können? Mich beschuldigen, dass ich über die Dächer flog und Leute mit mir schleppte?
    Ich zuckte die Achseln und zog mein Handy aus der Tasche, um auf die Uhr zu schauen: zehn vor elf. Zu spät für die Metro; wenn ich rechtzeitig zu Hause sein wollte, musste ich den Weg über die Dächer nehmen.
    Das Display zeigte außerdem eine neue Nachricht an, von einer unbekannten Nummer. Ich runzelte die Stirn. Sie war vor vier Minuten angekommen, als ich noch mit Susanna beschäftigt gewesen war.
    Beim Lesen setzte für einen Moment mein Herzschlag aus: » Ich kann dich nicht anrufen, aber ICH MUSS dich treffen. Antworte mir. Ich bitte dich! «

Kapitel 27
    Mittwoch, 4. März
    Zunehmender Mond
    A m Morgen danach war Susanna, wie vorherzusehen, nicht in der Schule, und Alex tat alles, um meine Gegenwart zu ignorieren. Nicht einmal versehentlich sah er in meine Richtung. Aber mir war das egal: Ich hatte andere Dinge im Kopf.
    Für den Nachmittag hatte ich mir vorgenommen, dem Conte einen Besuch abzustatten, wobei ich meiner Mutter diesmal erzählen würde, dass ich ins Schwimmbad wollte. Und tatsächlich würde ich das später vielleicht noch tun, allerdings erst, nachdem die Sache vorbereitet war. Und ich würde nicht zum Schwimmen hingehen.
    Aber vor allen Dingen musste ich mit dem Conte sprechen.
    Ich traf ihn an seinem Schreibtisch an, in einem halbdunklen Zimmer; die Vorhänge waren zugezogen und ließen nur wenig Licht herein. Der Conte saß mit dem Rücken zu mir neben seinem riesigen Astrolabium: Ich konnte nicht erkennen, womit er gerade beschäftigt war.
    »Komm herein, Veronica«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    Ich gehorchte, die Augen im Dunkel zusammenkneifend.
    »Warum ist es denn so finster hier?«
    »Die Träume mögen das Licht nicht«, erwiderte er leise. »Lässt du es etwa an, wenn du schlafen willst?«
    Ich trat zu ihm an den Tisch und lugte über seine Schulter. Er hatte eines der winzigen Skelette aus seiner Sammlung in der Hand und machte sich offensichtlich gerade daran zu schaffen. Aber es war anders als die anderen Skelette: Die Knöchelchen hatten eine seltsame bläuliche Färbung.
    »Was tun Sie denn da?«, murmelte ich.
    »Üben«, war die Antwort.
    Ich beugte mich vor, um besser sehen zu können, und bemerkte, dass auf jedem einzelnen Knochen, wie klein er auch sein mochte, eine Reihe von winzigen Zeichen gemalt war. Außerdem stand ein Fläschchen mit blauer Farbe auf dem Tisch, und daneben lag ein benutzter Pinsel mit einer sehr feinen Spitze.
    »Üben wofür?«
    »Um zu träumen, natürlich.« Der Conte hängte dem Tierchen die letzten Schwanzwirbel wieder ein, nahm ein Tontöpfchen vom Tisch und streute einen feinen Ring aus grauem Staub um das Skelett herum.
    »Was ist das?«, fragte ich, immer noch sehr leise.
    »Die Asche eines Erlenbaums. Ein sogenannter Schwellenbaum.«
    »Und die Zeichen?« Ich beugte mich noch weiter vor. »Ist das Griechisch?«
    »Etruskisch.« Der Conte stellte das Töpfchen wieder hin und richtete sich auf. »Schau einfach zu.«
    Er betrachtete unverwandt das Skelett, das in ungewissem Gleichgewicht auf seinen vier Beinchen stand, und ich tat es ihm nach. Ich hätte nicht sagen können, um welches Tier es sich handelte: vielleicht eine Ratte oder sonst irgendein Nagetier.
    Zehn Sekunden später war immer noch nichts geschehen, und ich wollte gerade eine Frage stellen, als das Skelett sich plötzlich bewegte. Nicht etwa langsam und mit zögerlichen Bewegungen, wie sich oft die Untoten in den Filmen zu regen beginnen: Vielmehr war es einen Moment vorher noch leblos gewesen, und nun war es plötzlich lebendig. Es wackelte mit dem Schwanz und schwenkte den Kopf von einer Seite

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