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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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an mich, dass ihr Atem und Stimme wegblieben. Bei unserer Landung auf dem Dach riss ihr der Rückstoß die Brille aus dem Gesicht, ich erwischte sie im letzten Moment, setzte sie Susanna wieder auf die Nase und lud mein Opfer dann wie einen Sack zu meinen Füßen ab.
    Es war ein schräges Dach mit breiten, grauen Dachziegeln. Ich musterte meine Beute, die vor mir auf diesem seltsamen Untergrund lag, das Blau ihrer Jeans in schönem Kontrast zu dem von Smog und Nässe gefleckten Grau der Ziegel: Sie stützte sich auf die Ellbogen und sah sich ruckartig um. Ich durchbohrte sie mit meinem Blick.
    Sie starrte zurück, zunächst völlig verständnislos, doch dann durchzuckte ihre geweiteten Pupillen ein Blitz des Wiedererkennens, dem das nackte Entsetzen folgte.
    Sie reagierte auf unerwartete Weise, packte einen lockeren Dachziegel, der ihr zufällig zwischen die Finger geriet, und schleuderte ihn in meine Richtung.
    Der Instinkt des Wolfes parierte an meiner Stelle den Angriff: Ich fing den Ziegel im Flug, hielt ihn einen Augenblick in beiden Händen, richtete dann von Neuem den Blick auf Susanna und drückte so fest zu, dass mir der graue Ton durch die Finger rieselte.
    Susanna heulte laut auf und machte sich daran, auf den Ellbogen vor mir zurückzukriechen. Ich konnte hören, wie der Stoff ihres T-Shirts am Rücken riss, und einen Augenblick später drang der Geruch von Blut an meine Nase: Offensichtlich hatte sie sich einen Ellbogen aufgekratzt, ohne es zu merken.
    Ich holte tief Luft. » Weißt du, warum du hier bist? «
    Ich gab mir keine Mühe, meine Stimme zu modulieren, und was aus meinem Mund kam, hörte sich selbst für meine Ohren schrecklich an: eine Art tiefes und dumpfes Knurren, absolut unmenschlich und doch in der Lage, Worte zu artikulieren.
    Susanna schnappte nach Luft wie ein Fisch.
    Jetzt wurde meine Stimme zu einem Brüllen. » WEISST DU, WARUM DU HIER BIST ?«
    Sie schloss ruckartig den Mund, vollkommen paralysiert. Dann schüttelte sie den Kopf.
    Ich ging auf sie los und packte sie bei den Schultern. Sie warf den Kopf so ruckartig zurück, dass er auf den Dachziegeln aufschlug und sich ihr Blick einen Moment lang trübte.
    Ich beugte mich so nah über ihr Gesicht, dass ihre Brillengläser von meinem Atem beschlugen. » Du bist hier, um zu bereuen .«
    Ich zog sie an den Oberarmen nach oben. Doch als ich losließ, trugen ihre Beine sie nicht und sie sackte zu meinen Füßen auf die Knie. Ich sah auf sie hinab: Ihre sonst so perfekte Frisur hatte sich zu einem staubigen Zottel-Look in der Farbe der Dachziegel verwandelt, und auch ihre Sachen waren voller Staub. Tatsächlich weinte sie, schweigend, unter ihrer Brille, von einem leichten Beben durchzuckt.
    Wie, sie weinte jetzt schon? War etwa so wenig schon genug?
    Nein, es war nicht genug. Ich war alles andere als zufrie-den.
    An einem Fußknöchel schleifte ich sie hinter mir her zum Rand des Daches. Sie schrie und sträubte sich, aber mit so wenig Kraft, dass ich es kaum wahrnahm. Ich packte sie bei den Handgelenken und hielt sie mit ausgestreckten Armen über den Dachrand ins Leere.
    Ich weidete mich am Anblick ihrer eleganten, flachen Schuhe, die in der Nachtluft strampelten, erst wild und heftig, dann immer langsamer.
    Ich sah in das Gesicht meiner Feindin. Da war sie also. Die Stille und Hochmütige, die Intellektuelle, die einen mit einem einzigen Blick so demütigen konnte, dass man sich fühlte wie der dümmste Mensch auf der Welt.
    War es ihre Idee gewesen, den Green Dragon zu benutzen?
    » Die Droge, die ihr mir an jenem Abend verabreicht habt «, knurrte ich, » wer ist auf die Idee gekommen ?« Ich schüttelte sie. » Warst du es ?«
    Susannas Lippen verzogen sich zu einer weinerlichen Miene, sie ließ ein Winseln hören. Dann nickte sie.
    Ich ließ ihren linken Arm los und hielt sie nur noch mit einer Hand.
    Sie schrie nicht und strampelte auch nicht mehr. Ihr Kopf fiel nach vorn, und sie hing wie ein schlaffer Sack in meiner rechten Hand.
    Ich hielt überrascht inne, dann zog ich sie wieder hoch, legte sie auf das Dach und beugte mich über sie. Sie war ohnmächtig geworden.
    Ich schnaubte grimmig. Das war’s also schon.
    Ich hob sie auf, vergewisserte mich, dass niemand auf der Straße war, und sprang mit ihr hinunter. Lautlos legte ich Susanna neben der Tür des Lokals ab, ganz vorsichtig, damit mich von innen niemand dabei sah, klopfte dann zweimal so laut an den Türpfosten, dass es im Inneren widerhallte, und kehrte mit einem

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